| ||||
| ||||
| ||||
Sehr geehrter Schech Bashir! Sehr geehrter Herr Dr. Lemmen!
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Verehrte Engagierte im und Interessierte am Dialog zwischen Christen und Muslimen!
Liebe Schwestern und Brüder im Glauben an den einen Gott!
Ich freue mich sehr, Sie heute Morgen zu einem Tag der Begegnung und des Dialogs hier in der "Wolfsburg", der katholischen Akademie des Bistums Essen, begrüßen zu dürfen. Begegnung und Dialog: mit diesen beiden Worten ist nicht nur das Programm dieses Tages, sondern auch das Programm dieses Hauses beschrieben. Dies gilt sowohl für die Inhalte, als auch für die Methode. Die katholische Akademie versteht sich als ein Ort der Begegnung zwischen Gesellschaft, Politik, Wissenschaft und dem christlichen Glauben. Dabei versuchen die Veranstaltungen hier im Haus, das Gespräch zwischen unterschiedlichen Sichtweisen und vor allem die Begegnung der Menschen zu fördern.
So gehört auch der Dialog zwischen den Religionen, der christlich-jüdische wie der christlich-islamische Dialog, zum festen Programm unserer katholischen Akademie. Die Begegnung zwischen Christen und Muslimen, um die sich in unserer Diözese Kirchengemeinden, kirchliche Einrichtungen und Gruppen schon lange bemühen, versuchen wir seit zweieinhalb Jahren durch den Arbeitskreis Integration im Bistum Essen zu intensivieren. Unser Anliegen ist es, die vielen kleinen und oft vereinzelten Ansätze des Dialogs zu verbreitern und zu vertiefen.
Dabei kommt es uns darauf an, neben dem interreligiösen Dialog auch die sozialen und gesellschaftspolitischen Fragen der Integration in den Blick zu nehmen. Ein großer Teil der Muslime in den Städten und Kreisen unseres Bistums ist auch Jahrzehnte nach der Ankunft in Deutschland weit entfernt von einer gleichberechtigten sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Teilhabe in der Gesellschaft. Sie leben vielfach in benachteiligten Stadtteilen mit anderen sozial schwachen Gruppen zusammen. Konflikte, die daraus erwachsen, werden häufig als religiöse Konflikte wahrgenommen, obwohl die Ursachen in anderen Bereichen zu suchen sind. Die soziale Situation und die zum Teil noch gar nicht begonnene Integration sowie Ängste und Vorurteile, die hier entstehen, belasten das Zusammenleben von Christen und Muslimen in einzelnen Stadtteilen oft mehr als die Zugehörigkeit zu verschiedenen Glaubensgemeinschaften.
Daher sehen wir unsere Aufgabe nicht auf die Förderung des interreligiösen Dialogs beschränkt. Ebenso wichtig für das Zusammenleben ist die Integration, die nur gelingen kann, wenn beide Seiten einen aktiven Beitrag leisten. Die Kirchen als Teil der Mehrheitsgesellschaft sind hier genauso gefordert wie die muslimischen Organisationen und Gemeinden.
Aus diesem Grund haben wir hier in der katholischen Akademie noch vor einer Woche über die Frage der Integration in benachteiligten Stadtteilen diskutiert. Wir haben in den zurückliegenden Monaten die Diskussion um die "Leitkultur" aufgegriffen und über das Verhältnis von religiöser sowie kultureller Identität und Integration gesprochen. Hier im Haus besuchen kirchliche Mitarbeiter Fortbildungen, um die für sie in der Regel fremde Religion des Islam kennen zu lernen. Erzieherinnen, Lehrerinnen und Lehrer tauschen auf Praxisbörsen Erfahrungen zur christlich-islamischen Begegnung aus. Auch der Arbeitskreis Integration und die Islambeauftragten der Stadt- und Kreisdekanate unseres Bistums kommen hier in der Wolfsburg zu ihren Sitzungen zusammen.
So freuen wir uns sehr, heute Ihr Gastgeber sein zu dürfen. Gastgeber für einen Tag, der Christen und Muslime zusammenführt und - dessen bin ich mir aufgrund der großen Resonanz, die die Einladung zur heutigen Tagung gefunden hat, sicher - Gastgeber für einen Tag, der dem Dialog neue Impulse geben wird. Ihr Interesse und Ihre Teilnahme sind für uns und für die christlichen und muslimischen Organisationen, die in Kooperation mit der Christlich-Islamischen Gesellschaft diesen Tag vorbereitet haben, ein großes Zeichen der Ermutigung und Bestärkung, den Weg des Dialogs weiter zu gehen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
ein besonderer Gruß gilt heute Morgen der Christlich-Islamischen Gesellschaft: Ihnen, sehr geehrter Schech Baschir, als Vorsitzendem, Ihnen, Herrn Dr. Lemmen, als Geschäftsführer, und Ihnen, den anwesenden Mitgliedern. Zu Ihrem 20-jährigen Bestehen, das Sie auch mit dem heutigen Tag der Begegnung und des Dialogs feiern, möchte ich Ihnen sehr herzliche Glück- und Segenswünsche aussprechen.
Sie feiern Ihr Jubiläum in einer schwierigen Zeit. Die Attentate in New York und Washington, die zum Teil von Deutschland aus vorbereitet wurden, und die Selbstmordanschläge in Israel haben auch in Deutschland bei vielen Menschen einen neuen Argwohn gegen den Islam geweckt. Umgekehrt haben der Krieg gegen das Terrorregime in Afghanistan und das Vorgehen der israelischen Armee gegen die Palästinenser in weiten Teilen der islamischen Welt den Eindruck erweckt, der Westen wolle den Islam bekämpfen. So steht dem Misstrauen gegen den Islam das Misstrauen gegen den Westen gegenüber.
Dieses Misstrauen kann nur abgebaut werden, wenn Menschen nicht übereinander, sondern miteinander reden, wenn Christen und Muslime sich gemeinsam um Verständigung bemühen und anderen davon Zeugnis geben. Die Christlich-Islamische Gesellschaft und ihre Mitglieder tun dies auf vielfältige Weise. Und wenn trotz allen Misstrauens nach dem 11. September in Deutschland überwiegend unterschieden wurde zwischen der Religion des Islam und dem Missbrauch dieser Religion für politische und terroristische Zwecke, dann ist dies - so glaube ich - auch Gruppen wie der Christlich-Islamischen Gesellschaft zu verdanken.
Dass Sie in diesem Jahr bereits ihren 20. Geburtstag feiern können, zeigt aber auch, dass der christlich-islamische Dialog eine empfindliche Pflanze ist, die nur langsam wächst. Wer sich hier engagiert, braucht Geduld und einen langen Atem. Es kommt vor, dass Blätter welken und abfallen. Oft muss man alle Kraft daran setzen, dass die Pflanze nicht vertrocknet. Doch dann wird man durch neue Triebe und auch durch neue Blüten für die Mühen belohnt. Der Christlich-Islamischen Gesellschaft und allen, die sich für den Dialog zwischen Christen und Muslimen einsetzen, wünsche ich - um im Bild zu bleiben - viele solche neuen Triebe und Blüten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
der heutige Tag soll jedoch nicht zu einem Rückblick auf die letzten 20 Jahre der Christlich-Islamischen Gesellschaft werden, sondern ein weiterer konstruktiver und engagierter Schritt auf dem Weg des Dialogs sein. Wir wollen über unsere Erwartungen sprechen und fragen, was den Dialog fördert oder behindert. Für mich ist es in diesem Zusammenhang zunächst hilfreich, sich die unterschiedlichen Ebenen des Dialogs vor Augen zu führen. Der Päpstliche Rat für den interreligiösen Dialog nennt in einem Dokument von 1991 vier Arten des Dialogs: 1
1. Den Dialog des Lebens, in dem Menschen unterschiedlichen Glaubens in einer offenen und nachbarschaftlichen Atmosphäre zusammenleben, Freude und Leid teilen, Fragen und Probleme des täglichen Lebens miteinander besprechen, gegenseitige Einladungen zu Festen aussprechen und den Glauben wie auch die Kultur des anderen kennen lernen.
2. Den Dialog des Handelns, in dem Christen und Muslime gemeinsam für eine umfassende Entwicklung, für soziale Gerechtigkeit und den Frieden eintreten.
3. Den Dialog des theologischen Austausches, in dem Spezialisten ihr Verständnis ihres jeweiligen religiösen Erbes vertiefen und die gegenseitigen Werte zu schätzen lernen.
4. Den Dialog der religiösen Erfahrung, in dem Menschen, die in ihrer eigenen religiösen Erfahrung verwurzelt sind, ihren spirituellen Reichtum teilen, z.B. was Gebet und Betrachtung, Glauben und Suche nach Gott angeht.
Diese Bandbreite und die unterschiedlichen Ebenen des Dialogs in den Blick zu nehmen, bewahrt zunächst vor einer zu pessimistischen Sicht. So gibt es immer wieder Kritiker, die meinen, ein "richtiger" Dialog sei eben nur der Dialog des theologischen Austausches und der Dialog der religiösen Erfahrung und dieser finde so gut wie gar nicht statt. Wer den Dialog auf diese beiden Ebenen beschränkt, der macht ihn zu einer Art Luxus für Theologen und übersieht die vielen kleinen Begegnungen, bei denen Christen und Muslime sich näher kommen, vielleicht ohne dass der Pfarrer oder der Hodscha davon überhaupt erfahren.
Der Dialog ist nicht allein Sache der Experten. Er darf sich nicht beschränken auf die Islambeauftragten der Kirchen, die Dialogbeauftragten der islamischen Organisationen und die Mitglieder der Christlich-Islamischen Gesellschaft. Vielmehr sollen diese Beauftragten und Gruppen dazu beitragen, dass die Menschen zusammenfinden, die gemeinsam in einem Haus, einer Straße oder einem Stadtteil wohnen, deren Kinder in den gleichen Kindergarten und in die gleiche Schule gehen. Beim Dialog - wie bei jeder menschlichen Begegnung - kann man sich nicht vertreten lassen. Vom Dialog kann man zwar erzählen und schreiben, doch was an Gemeinsamkeiten wächst, was an Bereicherung erfahren wird, das kann man auf diese Weise nicht weitergeben. Sowohl in den christlichen wie in den muslimischen Gemeinden müssen wir diese Einsicht noch viel stärker vermitteln.
Auch wenn es wichtig ist, die verschiedenen Ebenen des Dialogs zu unterscheiden, darf nicht vergessen werden, dass die unterschiedlichen Formen des Dialogs miteinander verknüpft und aufeinander angewiesen sind. Kontakte im täglichen Leben öffnen die Tür zum gemeinsamen Handeln. Wer sich im gemeinsamen Handeln näher kommt, kann unter Umständen auch in einen Dialog der religiösen Erfahrung eintreten. Das gegenseitige Zeugnis der religiösen Praxis wiederum regt den Dialog des theologischen Austauschs an, der neue Impulse für den Dialog des Lebens und des Handelns bringt.
So wird der Dialog zwischen Christen und Muslimen auf Dauer nur Fortschritte machen, wenn alle Ebenen mit einbezogen werden. Um es konkret zu sagen: So schön und wichtig gegenseitige Einladungen zum Besuch der Kirche und der Moschee, zum Fastenbrechen und zum Friedensgebet sind, alleine reichen sie nicht aus. Wir müssen in Zukunft intensiver als bisher Wege finden, uns als Christen und Muslime für die Anliegen der Menschen vor Ort einzusetzen und gemeinsam zu ihrem Wohl zu handeln.
Der Dialog der drei monotheistischen Religionen - das ist uns gerade in den letzten Monaten vor Augen geführt worden - ist von großer Bedeutung für das friedliche Zusammenleben der Menschen in unserer Welt. Christen, Muslime und Juden müssen gemeinsam für die Menschenrechte, eine umfassende Entwicklung gerade der armen Länder und für soziale Gerechtigkeit eintreten. Gemeinsam stehen wir vor der Herausforderung, der Welt zu zeigen, dass der Glaube an den Gott Abrahams eben nicht Ursache für Gewalt, Unfreiheit und Krieg ist, sondern dass dieser Glaube an den einen Gott eine versöhnende, eine befreiende und eine Frieden schaffende Kraft hat.
Daher kann auch nur derjenige glaubhaft den Dialog führen, der sich für Freiheit, Gewaltlosigkeit, Frieden und Verständigung unter allen Menschen einsetzt. Wer dagegen öffentlich oder in der eigenen Gemeinschaft ganze Völker oder Religionen pauschal diffamiert und Feindbilder aufbaut - sei es gegen die Araber, sei es gegen die Juden oder gegen den angeblich gottlosen Westen -, der disqualifiziert sich als Dialogpartner. Jede Weltsicht, die meint, man könne die Menschheit in eine gute und einen verdorbene Hälfte aufteilen, widerspricht der Glaubenswahrheit, dass alle Menschen durch ihren Ursprung in Gott eine grundlegende Einheit bilden, und macht den Dialog unmöglich.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
ich möchte schließen mit einem Zitat, das Mutter Teresa zugeschrieben wird. "Der Dialog", so hat sie es formuliert, "macht den Hindu zu einem besseren Hindu, den Muslim zu einem besseren Muslim und den Christ zu einem besseren Christen." Immer wieder begegnet denjenigen, die sich im Dialog engagieren, der Vorwurf, sie würden ihre Religion verraten oder sie wollten aus den verschiedenen Religionen einen gemeinsamen neuen Glauben machen, indem sie die Glaubenssätze, die der Dialogpartner nicht teilt, verschweigen oder sogar aufheben.
Das Gegenteil ist richtig. Der richtig verstandene Dialog verlangt nicht nur Respekt und Offenheit für die Glaubensüberzeugung des anderen, sondern gleichzeitig verlangt er auch Treue zum eigenen Glauben. Denn wer nicht fest in seiner Glaubenstradition steht, der wird im Dialog bald den Boden unter den Füßen verlieren. Außerdem wird er bei seinem Gegenüber für Verwirrung statt Klarheit sorgen. Nur wer weiß, woher er selbst kommt und auf welchem Fundament er steht, kann selbstbewusst, tolerant und vorurteilslos den Dialog führen.
Uns allen wünsche ich, dass uns dies heute gelingt und - wie es in der Einladung heißt - dass die Anregungen über den heutigen Tag hinaus weitergetragen werden, so dass die Begegnung von Christen und Muslimen vor Ort neue Impulse erhält.
Anmerkung
www.chrislages.de Der Internet-Service der Christlich-Islamischen Gesellschaft (CIG e.V.) Impressum, Datenschutz und Haftung. Email: info@chrislages.de |