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Appell des palaestinensischen Volkes am 50. Jahrestag der Nakba

Wir, die palaestinensischen Kinder und Nachkommen dieses heiligen Landes, wir, die wir universelle Werte vertreten, wir, die wir Frieden und Freiheit suchen, wir, das lebendige Zeugnis von Ausdauer und menschlicher Wuerde im Angesicht von Not, wir, die Opfer einer seit einem halben Jahrhundert andauernden Nacht von Besatzung und Vertreibung -

erklaeren unsere ungebrochene Anwesenheit an Zeit und Ort, ungeachtet aller Versuche, uns von dem Land, das unseren Namen am Beginn der Zeit der Welt geboren hat, zu trennen. Wir kommen nicht aus einer Dunkelheit von Mythos und Legende, wir sind seit alters her in dieses Land hinein geboren, das den meisten antiken Kulturen das Leben geschenkt hat. Auf diesem Land war es, dass sich die Menschheit ihr erstes Haus erbaut hat, ihr erstes Getreide gepflanzt, ihr erstes Alphabet geschaffen hat. Von den Huegeln Jerusalems erhoben sich die ersten Gebete der Dankbarkeit zum Schoepfer. Unser Land, nur klein an Groesse, hat viele Kulturen und Zivilisationen beherbergt, sowohl in Harmonie wie im Streit, und unsere eigene Kultur entstand aus der Fuelle dieses so verschiedenartigen und reichen Erbes. Unsere Geschichte als Menschen begann bereits mit der Geschichte der Menschheit. Unsere arabische Geschichte begann mit der Geschichte der Araber, das Bewusstsein unserer nationalen Geschichte begann mit unserem Widerstand gegen Eroberung und Gier, die sich unseres Land bemaechtigten.

Heute stehen wir vor einem halben Jahrhundert von Nakba und Widerstand, gezeichnet durch die fortgesetzte Tragoedie der unmittelbaren Vergangenheit, richten wir unseren Blick in die Zukunft, die wir gestalten wollen in Hoffnung und dem Versprechen von Freiheit und Gerechtigkeit. Denn wir haben allen Versuchen widerstanden, uns auszuloeschen oder zu verleugnen, den Namen Palaestinas von der Landkarte verschwinden zu lassen. Am 50. Jahrestag eines der groessten Verbrechen dieses Zeitalters, begangen am ganzen Volk und Land von Palaestina, stehen wir in Ehrfurcht an den Staetten der Maertyrer, die ihr Leben fuer die Fortbestand des Landes und seines unsterblichen Namens opferten, in der Verteidigung unserer Identitaet und einer souveraenen Existenz auf unserem Land, einem Land, dem Gottes Wort an die Menschen ebenso wurde wie unser Blut von alters her eingefloesst wurde.

Von der Trauer der Muetter ueber die Knechtschaft der Gefangenen bis zum Exil der Generationen stehen wir in Ehrfurcht vor der heroischen Haltung des Einzelnen, wie des Kollektivs zu bleiben, beides: Palaestinenser und Araber. Als Opfer des Mythos "Ein Land ohne Volk fuer ein Volk ohne Land" wagen wir es, in die Geschichte einzutreten und die Luege zu benennen, die versucht hat, uns zu verleugnen. Kritisiert fuer unser Verschwinden als Nation und die Trennung von unserem Land, haben wir unsere Identitaet erneuert und die Faeden zu unserer Heimat gefestigt, gerade noch bevor wir dem Vergessen anheim fielen.

480 bluehende, lebendige Doerfer wurden von den zionistischen Frevlern dem Erdboden gleichgemacht. Terrorisiert, niedergemetzelt und vertrieben war der groesste Teil der palaestinensischen Nation, auf den Status von Fluechtlingen und Staatenlosen herabgewuerdigt und auf Gedeih und Verderb der Gnade verschiedener Gastlaender ausgeliefert. Ihres Geburtsrechts beraubt trugen die palaestinensischen Fluechtlinge Palaestina so in ihren Herzen, wie sie die Besitztitel und die Schluessel zu ihren Haeusern bewahren. In unserer kollektiven Erinnerung und in unserem Weiterleben blieben die alten Orte und Menschen lebendig. Wir haben uns geweigert, ihre Version der Zerstoerung als unsere Geschichte anzunehmen und zu akzeptieren, und wir bleiben die Anwaelte und Zeuginnen einer authentischen palaestinensischen Tradierung und des Willens zu ueberleben.

Von der Revolution zum Aufstand, und weiter zum Aufbau der Nation erwarben wir uns die Anerkennung der Welt. Das zweifache Unrecht von Exil und Besatzung konnte den Willen eines Volkes nicht brechen, das bestrebt war, Freiheit, Wuerde und Erloesung seiner Geschichte zu erreichen. Und so war es die PLO, die zuerst den Olivenzweig als Alternative zur Waffe anbot. Friede war das Ziel, nicht Beschwichtigungspolitik oder Kapitulation. Die PLO, Verkoerperung unserer nationalen Identitaet, Hueterin der Integritaet unserer Vergangenheit, Instrument der Verwirklichung unserer Zukunft, hat die Unabhaengigkeit unserer Ausdrucksmoeglichkeiten und unseres Willens unterstrichen und hat die Richtung unseres Weges bestimmt. Sie erhielt die Anerkenung der internationalen Voelkergemeinschaft fuer das Recht des palaestinensischen Volkes auf Selbstbestimung und Rueckkehr, sie sicherte uns gegen die Wellen der Verluste und der Verleugnungen. Ueber all dem aber steht Jerusalem, mehr als nur die rechtliche Basis, ist sie die Seele unseres Seins, der Geist der Harmonie.

Unsere Selbstverpflichtung zu einer demokratischen und alle Gruppen umfassenden Politik, wurde in dem schon historischen Vorschlag der PLO fuer einen saekularen, pluralistischen und demokratischen Staat in Palaestina ausgedrueckt. Waehrend Zionisten auf einer rassistischen Exklusivitaet bestanden, die Humanitaet und Rechte anderer leugnet, suchten wir Toleranz zu unterstreichen und Verschiedenheit zu feiern. Waehrend eine Teilung des historischen Palaestina durch den israelischen Hang zu ausschliesslichem Besitz unmoeglich wurde, haben wir als Alternative eine Teilung des Landes auf der Basis einer Zwei-Staaten-Loesung vorgetragen. Eine solche Loesung waere mit dem Voelkerrecht, so wie es die UN-Resolution 181 formuliert hat, vereinbar und wuerde dem palaestinensischen Volk relative Gerechtigkeit auf seinem Land verschaffen. Es wuerde zudem der gequaelten Stadt Jerusalem Erloesung verschaffen, damit sie gefeiert werden koennte als ewige Stadt und als unsere ewige Hauptstadt.

Die Umwandlung der historischen Erinnerung an Palaestina als Heimat hin zu einem gemeinsamen Bemuehen, einen Staat auf einem Teil des historischen Palaestina zu errichten, bedeutet einen schmerzlichen und schwierigen Wandel im politischen Diskurs, wie auch im nationalen Ethos des palaestinensischen Volkes. Es ist anzuerkennen als versoehnungsbringender Kompromisses von historischer Grosszuegigkeit und darf nicht als Selbstverleugnung oder Schwaeche missinterpretiert werden. Ganz im Gegenteil, eine solche Loesung erfordert die sofortige und uneingeschraenkte Anerkennung unserer Legitimitaet und unseres Rechtes auf Souveraenitaet als einer Nation unter Gleichen. Eine solche Vision, geboren aus Tapferkeit und dem moralischen Grossmut des Opfers, die den Unterdruecker erreicht, darf allerdings nicht verbunden sein mit weiterer Zurueckweisung, Verleugnung und Peinigung.

Die Welt ist also heute nicht allein aufgerufen, ihre eigene Schuld und Verantwortung in bezug auf das palaestinensische Volk anzuerkennen, sondern auch gerufen zu einer deutlichen und umfassenden Korrektur ihrer Politik, um die Rechte der Palaestinenser zu verwirklichen.

Die internationale Voelkergemeinschaft ist heute ebenso aufgerufen, den Friedensprozess angesichts des gegenwaertigen israelischen Extremismus' und der israelischen Politik der Bedrohung, Einschuechterung und Macht, durch effektives Eingreifen zu retten, statt den israelischen Forderungen, dem Druck und seinen einseitigen Massnahmen zu erliegen.

Durch die Fortsetzung seiner kolonialen Politik, der Beschlagnahme von Land, der Verletzung unterzeichneter Vertraege, der Leugnung der "terms of reference" des Friedensprozesses, der Verletzung der vereinbarten Zeitplaene, der Leugnung einer Agenda fuer die Verhandlungen ueber den endgueltigen Status, sowie die fortgesetzte Anwendung kollektiver Bestrafungen des palaestinensischen Volkes, versucht Israel nicht allein den Zug des Friedensprozess zum Entgleisen zu bringen, sondern auch alle Aussichten auf einen Frieden in der Zukunft zu zerstoeren. In der Neubelebung von Fundamentalismus, Feindschaft und Misstrauen fuehrt Israel die gesamte Region aus der heutigen Zeit in eine anachronistische Zukunft von Konflikten und von Gewalt.

Wirkliche Stabilitaet, Sicherheit und Wohlstand koennen nur aus einem Frieden hervorgehen, der grundlegende Prinzipien der Gerechtigkeit umsetzt. So lautet die palaestinensische Vision und so ist das gemeinsame Bemuehen aller Palaestinenserinnen und Palaestinenser. Kein noch so grosser Schmerz, noch Leiden koennen die Peinigung anderer oder die Zufuegung von Unrecht rechtfertigen. Waehrend wir zu einer mitfuehlenden Anerkennung der unausprechlichen Leiden der Juden waehrend des Horrors der Shoa bereit sind, koennen wir zugleich nicht hinnehmen, dass das Leiden unseres Volkes geleugnet oder banalisiert wird.

Als Opfer suchen wir die Wiederkehr von Leiden zu verhindern, ohne Ansehen von Taetern oder Leidenden. Kein Land, keine Nation darf den Anspruch erheben, ueber dem Recht oder ueber der Berechenbarkeit zu stehen. Falls Israel Anerkennung und Legitimitaet sucht, muss es die Rechtsnormen akzeptieren, die das Zusammenleben der zivilisierten Voelker regeln. Die Arroganz der Macht mag wirkungsvoll sein, aber immer nur zeitweise. Nur ein gerechter Friede kann ein dauerhaftes Fundament legen.

Wir versuchen nicht Gefangene der Vergangenheit, noch Opfer der Geschichte zu sein. Das palaestinensische Volk hat eine Reise der Befreiung in seine Zukunft begonnen. Aus der Asche unserer Trauer und unserer Verluste ersteht eine Nation, die Leben und Hoffnung feiert. Wir werden nicht aufgeben, wir werden den Glauben an einen gerechten und wirklichen Frieden nicht aufgeben, der uns in die Lage versetzt, unser Recht auf Selbstbestimmung und Souveraenitaet ueber unser Schicksal auszuueben. Wir haben nicht fuenfzig Jahre seit der Nakba in Gram ueber schmerzliche Erinnerung verbracht. Weder ist die Vergangenheit gaenzlich abgeschlossen, noch hat die Zukunft schon wirklich begonnen, aber die Gegenwart ist offen fuer unser Streben.

Seit fuenfzig Jahren stellt die palaestinensische Geschichte ein Zeugnis fuer Beharrlichkeit und Widerstand gegen die Implikationen, Konsequenzen und Ungerechtigkeiten aus der Nakba dar. Fuer ein halbes Jahrhundert wurde die palaestinensische Geschichte ein lebendes Unterpfand fuer zukuenftige Generationen, fuer ihr Recht in Freiheit und Wuerde in ihrem eigenen Land zu leben. Wir haben den schmerzlichen Weg begonnen, ein Staatsvolk, eine Nation aufzubauen, damit ein freies Volk eine freie Heimat haben kann. Der Staat Palaestina kehrt nach fuenfzig Jahren des gewaltsamen Verschwundenseins zurueck auf die politische Buehne der Welt, ein Staat, der die Prinzipien der Demokratie verkoerpern wird, die Trennung der Gewalten, den Respekt der Menschenrechte, die Gleichheit von Frau und Mann, Verantwortlichkeit und die Herrschaft des Rechtes. Trotz der gegenwaertigen Zwaenge dieses Ueberganges bleibt unsere Vision umfassend und unbegrenzt. Denn wir sind vom Geist des Widerstandes getragen und dem Streben nach Freiheit verpflichtet, motiviert durch jenen Willen, der auch die leuchtende Flamme der Intifada entzuendet hat.

Geboren in Palaestina entstammen wir keinem anderen Land. Niemand anderes kann unsere Zukunft bestimmen, ebensowenig wie Jerusalem als unsere Hauptstadt ersetzt oder aus unserem Land oder aus unserem Sein herausgerissen werden kann. Sie ist die Heimat unserer Seele und Seele unserer Heimat - fuer immer.

Uebersetzung des PALESTINIAN PEOPLE'S APPEAL, gelesen am 14.Mai 1998 von dem Dichter Mahmoud Darwish am Ende des Nakba-Marsches.

Copyright fuer die deutsche Uebersetzung aus dem Englischen:
Khaled al-Khatib und Rainer Zimmer-Winkel, Berlin.

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