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Ungefaehr die Haelfte antisemitischer Taeter ist juenger als 22 Jahre

Potsdam (fan) Maennlich, juenger als 22 Jahre, niedriges Bildungsniveau, am Anfang einer beruflichen Laufbahn - so laesst sich in groben Zuegen die groesste Gruppe antisemitischer Straftaeter charakterisieren. Zu diesem Ergebnis ist jetzt das Potsdamer Moses Mendelssohn Zentrum gekommen. In einer Studie des Ablegers der Universitaet Potsdam, der sich vor allem mit Geschichte und Gegenwart der Juden in Europa befasst, sind mehrere hundert antisemitische Delikte aufgearbeitet worden. Die Basisdaten erhielt das Mendelssohn Zentrum vom Bundeskriminalamt. Dies betrifft alle antisemitisch motivierten Taten in der Bundesrepublik, die zwischen 1993 und 1995 von der Polizei festgestellt worden sind.

95 Prozent der 880 Taeter und Tatverdaechtigen waren Maenner. Die Haelfte zaehlte keine 22 Jahre. Bei den Gewalttaetern ist der Anteil junger Menschen sogar erheblich hoeher: 80 Prozent der 217 ermittelten Schlaeger sind juenger als 25 Jahre. Im Fall der sogenannten Propaganda-Taeter - dazu zaehlen die Verfasser von Drohbriefen und Hetzschriften - ergibt sich ein anderes Bild. Die Haelfte ist aelter als 25 Jahre. Stark vertreten sind Maenner ueber 50 Jahre. Dabei handelt es sich um die typischen Fuehrungsfiguren rechtsextremistischer Kleinparteien sowie um Leute aus der Generation der 60- bis 70jaehrigen. die den Nationalsozialismus erlebt haben und bis heute verklaeren. Aus diesem Personenkreis gingen unter anderem Drohbriefe an Bundestagspraesidentin Rita Suessmuth und an Kinos, die den Film "Schindlers Liste" vorfuehrten. In Ludwigshafen verlangten antisemitische Rentner von einem Lebensmittelgeschaeft, Obst aus Israel zu boykottieren.

Erstaunlich gering ist laut Studie der Anteil rein pathologischer Faelle. Taeter sowie Tatverdaechtige, die als debil gelten, machen nur vier Prozent aus. "Wir hatten mit einer weit hoeheren Zahl von Geisteskranken gerechnet", hiess es im Mendelssohn Zentrum.

Quelle: Der Tagesspiegel, Berlin, 4.April, 1997, Seite 14.