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Christlich-Islamische Gesellschaft am 23.September1997 an die
ARD Programmdirektion
Herrn Hartmann von der Tann
Arnulfstr.42
80335 Muenchen
"Islamische Fundamentalisten in Deutschland"
Reportage von Peter Rothammer
Kamera Pierre Angerer
Redaktion Hans Oechsner
ARD-Sendung Mittwoch, 3.September 1997, 21:40 Uhr bis 22:30
Sehr geehrter Herr Chefredakteur,
nach Paragraph 23 des Rundfunkstaatsvertrages haben Berichterstattung und Informationssendungen den anerkannten journalistischen Grundsaetzen zu entsprechen. Sie muessen unabhaengig und sachlich sein. Nachrichten sind vor ihrer Verbreitung mit der nach den Umstaenden gebotenen Sorgfalt auf Wahrheit und Herkunft zu pruefen. Kommentare sind von der Berichterstattung deutlich zu trennen und unter Nennung des Verfassers als solche zu kennzeichnen.
Dies vorausgeschickt moechten wir Ihnen mitteilen, dass die im Betreff genannte ARD-Sendung diesen Grundsaetzen unseres Erachtens nicht entsprochen hat. Wir begruenden dies nachstehend im Einzelnen:
Die Saetze
"Strengglaeubige Muslime im Vormarsch" sowie
".. waechst fundamentalistische Gefolgschaft unter den mehr als 2 Millionen Muslimen sprunghaft an"
sind keine Information, sondern Suggestion. Weil unsere Einwohnermeldeaemter die Muslime bis heute nicht separat erfassen, gibt es seit der Volkszaehlung von 1987 ueberhaupt keine zuverlaessigen Zahlen. Im Zusammenhang mit der Milli Goerues sprechen Sie von "rasantem Wachstum" und nennen immerhin eine angebliche Mitgliedschaft von 26.000 Personen. Sie versaeumen darauf hinzuweisen, dass Sie von 1 Prozent der Muslime reden, die ihrerseits nur 3 Prozent der deutschen Bevoelkerung ausmachen.
Welchen Informationsgehalt hat die Frage: "Waere es gut, wenn die gesamte Menschheit auf den Koran hoeren wuerde"? Jeder religioese Mensch muss eine vergleichbare Frage nach seinem heiligen Buch mit ja beantworten. Sind deshalb auch ausnahmslos alle Christen Fundamentalisten?
Die spaeter gestellte Frage, ob der interviewte Muslim sein Leben fuer seine Religion geben wuerde, empfinden wir ebenfalls als suggestiv, weil sie den Eindruck erwecken soll, dass Hingabe des eigenen Lebens fuer den Islam dasselbe bedeutet wie der Versuch der Machtergreifung des Islam in Deutschland. Ein Blick in den Heiligenkalender koennte Ihnen zeigen, dass auch das Christentum Hingabe des eigenen Lebens kennt und bewundert.
".. ueberzeugte Anhaenger eines islamischen Gottesstaates messen Politik mit der Elle von Koran und Scharia, trennen Politik eben nicht von Religion" ist oberflaechliche Polemik. Ein Blick in den ersten Satz der Praeambel des Grundgesetzes haette Ihnen gezeigt, dass auch die deutsche Verfassung eine Verantwortung gegenueber Gottes Geboten will.
Wir empfinden es als Irrefuehrung der Zuschauer, wenn Sie zu einer Besprechung der Zeitung Milli Gazete eine Rotationspresse der Zeitung Huerriyet zeigen.
Angeblich wollte die Sendung ueber islamischen Fundamentalismus "in Deutschland" berichten. Welchen Zusammenhang haben damit das halb gezeigte Video ueber eine Hinrichtung in Afghanistan sowie der Bericht ueber die Inhaftierung des Schriftstellers Sarkuhi im Iran?
Der Sektenfuehrer Cemalettin Kaplan ist bereits 1995 gestorben. Bedeutet die Aussage, dass er "in diesem Jahr" gestorben sei, dass die ARD eine mehr als 2 Jahre alte Konserve ausgestrahlt hat?
"In der streng bewachten Koelner Kommandozentrale von Milli Goerues ..." ist schlecht recherchiert oder infam. Wir nehmen Sie gern mal an die Hand und beweisen Ihnen das Gegenteil.
Gleiches gilt fuer das "gut bewacht" im Zusammenhang mit dem Bericht ueber die Zentrale des Verbandes der Islamischen Kulturzentren (VIKZ). Die im Film gezeigte Kamera uebertraegt das Bild des Vorbeters (Imam) in den separat liegenden Gebetsraum der Frauen. Im Uebrigen halten wir Beobachtungskameras an groesseren Gebaeudekomplexen mit mehreren Eingaengen fuer eine selbstverstaendliche Sorgfaltspflicht.
Woher wissen Sie, dass Milli Goerues ueber 100 Millionen Grundbesitz verfuegt? Wenn Sie tatsaechlich ueber mehr als Geruechte verfuegen, waeren wir fuer etwas praezisere Angaben selbst dankbar.
"Der Verband der Islamischen Kulturzentren errichtete ueber 300 Moscheen in Deutschland" soll unseres Erachtens ebenfalls Furcht erzeugen, anstatt zu informieren. Es handelt sich dabei ueberwiegend um Raeume, die frueher gewerblich genutzt wurden und nicht vom VIKZ selbst errichtet wurden. Der Film sagt an anderer Stelle selbst, dass es nur 30 echte Moscheen in Deutschland gibt, von denen lediglich 2 dem VIKZ gehoeren.
Die Fahad-Akademie in Bonn ist keine oeffentliche Moschee, sondern eine arabische Schule.
Eindeutig suggestiv ist unseres Erachtens das Ende des Interviews mit dem Muenchener Taxifahrer. Dieser schliesst seine Antworten mit dem Satz "Ein Muslim kann auch nicht eine Ameise toeten". Der naechste Satz Ihres Kommentators lautet: "Immer breiter wird seit Tagen wieder die Blutspur islamischer Attentaeter in Algerien". Bedeutet das nun, dass Herr Rothammer nicht zugehoert hat? Oder soll Ihr Film signalisieren, dass alle Muslime luegen? Dazu wuerden wir jedenfalls Ihre entsprechende Begruendung erwarten.
Ihr Bericht aus der Muenchener Moschee muss sachlich falsch sein. Koran-Rezitationen sind im Rahmen der meisten Freitagsgebete ueblich. Es ist nicht vorstellbar, dass eine Freitagspredigt zu Gunsten einer Koran-Rezitation ausfaellt.
Auch die Christlich-Islamische Gesellschaft kritisiert Religionsgemeinschaften, die das friedliche Zusammenleben von Menschen mit unterschiedlicher Religion behindern. Durch die undifferenzierte Darstellung beleidigt aber die ARD die meisten der in Deutschland lebenden Muslime und verfuehrt sie zur Solidaritaet mit den sogenannten Fundamentalisten. Wir halten das fuer verantwortungslos.
Wir werden uns erlauben, diesen Brief den Betroffenen zur Kenntnis zu bringen sowie unter unserer homepage im INTERNET zu veroeffentlichen. In der Hoffnung, dass Ihnen persoenlich die in Rede stehende Sendung auch nicht gefallen hat, verbleiben wir mit freundlichen Gruessen
Klaus Schuenemann
Datum: 02.10.97
Christlich-Islamische Gesellschaft e.V.
Herrn Klaus Schuenemann
Im Wichemshof 36
50769 Koeln
Ihr Schreiben vom 23.09.1997
Sehr geehrter Herr Schuenemann,
wir haben ihr o.g. Schreiben zustaendigkeitshalber an den Bayerischen Rundfunk, z.H. Herrn Mezger (Ausland und Reportagen) weitergeleitet. (Telefon 089/3806-5880).
Mit freundlichen Gruessen
Gabriele Rost
cc: Herr Mezger
Redaktion Berichte
07.11.97
Herrn
Klaus Schuenemann
Im Wichemshof 36
50769 Koeln
Sehr geehrter Herr Schuenemann,
Ihre Bedenken, die Sendung "Im Schatten des Minaretts - Islamische Fundamentalisten in Deutschland" von Peter Rothammer habe journalistischen Grundsaetzen des Rundfunkstaatsvertrages nicht entsprochen, teilt weder die Redaktion, noch der ARD-Programmbeirat. In seiner Sitzung vom 9./10.September 1997 kam dieser zu folgender Bewertung - ungekuerzter Protokollauszug:
"Angesichts der Tatsache, dass sich eher selten eine Sendung im Ersten mit dem Islam bzw. den Islamisten/Fundamentalisten beschaeftigt, begruesst der Beirat diese Sendung sehr. Sie habe die Organisation einzelner Gruppierungen, auch der Randgruppen, beleuchtet und auch die Keimzellen fuer die Konflikte der Gesellschaft von morgen benannt. Angesichts des Defizits einer kontinuierlichen Islam-Information auch in den oeffentlich-rechtlichen Programmen, sei eine solche Sendung zu begruessen, zumal sie ihr Ziel der Aufklaerung ueber den Unterschied zwischen Islam und Islamisten erreicht habe. Deutlich habe der Filmbericht auch das grosse Problem des Auseinanderdriftens der Kulturen werden lassen und dem Zuschauer vor allem das erschreckende Abdriften von Jugendlichen hinein in eine agnostische Lebenswelt vor Augen gefuehrt. Nur ein einer aufgeklaerten Gesellschaft, die ueber den Islam informiert sei, koennten auch die islamischen Kinder ihre Lebenschancen erhalten, dies habe der Bericht deutlich gemacht."
Nun zu denjenigen Ihrer Einwaende, die sich auf Tatsachenbehauptungen beziehen:
1. Das Zentralinstitut ISLAM-ARCHIV-DEUTSCHLAND beziffert die Zahl der in Deutschland lebenden Moslems mit 2.635.800.
2. Der Verfassungsschutzbericht 1996 Bayern beziffert die Mitgliederstaerke von "Milli Goerues" mit 26.500.
3. Der islamische Fundamentalismus wird im wissenschaftlichen Schrifttum (vgl. auch das Standardwerk Steinbach/Ende: Der Islam in der Gegenwart, Muenchen 1996) durchgaengig charakterisiert durch sein Ineinssetzen von Koran, Scharia und Politik.
4. Auf der Rotationspresse von HUERRIYET wurde auch MILLI GAZETTE gedruckt.
5. Das Bild des Islamismus in Deutschland wird zwangslaeufig stark von den Vorgaengen in Afghanistan, Algerien und dem Iran gepraegt.
6. Cemalettin Kaplan verstarb am 15.Mai 1995. Die Formulierung im Film bezieht sich auf die Kundgebung.
7. Der Film zeigt die Milli-Goerues-Zentrale in Koeln, bewacht durch Videokameras, einen uniformierten Wachmann und eine Wachpforte.
8. Die Formulierung "gut bewacht" enthaelt keine negative Wertung.
9. Die Verfassungsschutzpublikation "Islamischer Extremismus" des Bayerischen Staatsministeriums des Innern 3/95 beziffert den Immobilienwert der von Milli Goerues verwalteten EMUG mit 60 bis 80 Millionen DM. Die seit dem Redaktionsschluss dieses Berichtes neuerworbenen Immobilien wurden im Filmmanuskript hinzugerechnet.
10. In Deutschland gibt es rund 2.700 Moscheen und islamische
Gebetsraeume.
Warum die Tatsache, dass der "Verband der Islamischen
Kulturzentren" ueber 300 Gebetsstaetten errichtet hat, laut Ihrer
Formulierung "Furcht erzeugen soll" - diese Interpretation ist
nicht nachvollziehbar.
11. In der ARD-Reportage heisst es voellig zutreffend "die Moschee der saudiarabischen Koenig-Fahd-Akademie in Bonn".
12. Unser Drehmaterial bezeugt in Bild und Ton den Abbruch seiner Predigt durch den aelteren Hodscha und die anschliessende Rezitation durch einen jungen Hodscha.
Wir hoffen, Ihre ausfuehrlichen Kommentierungen wurden hiermit sachdienlich beantwortet.
Mit freundlichen Gruessen Hans Oechsner
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