| ||||
| ||||
| ||||
Dialog zwischen Moslems und Christen - ein notwendiger, aber schwerer Weg. Vortrag am 21.November 1997 in Wuerzburg
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es sind nun ueber sechzehn Jahre, dass ich jedes Jahr in die Tuerkei fahre; seit ich im Ruhestand bin, verbringe ich regelmaessig sogar einige Monate dort. So habe ich nun viele gute Freunde in diesem Land - und natuerlich habe ich in dieser langen Zeit auch schon sehr oft und mit den verschiedensten Menschen ueber Glaubensfragen gesprochen.
Einer meiner besten Freunde in der Tuerkei ist der Haci Suphi.
Er ist Imam in einem kleinen Bergdorf im Suedosten, also dort, wo
es auf der einen Seite nicht weit in den Iran und auf der anderen
Seite nicht weit in den Irak ist. Wenn irgend moeglich, besuche
ich ihn jedes Jahr wenigstens einmal. Dann wird ein Hammel
geschlachtet, wir essen und reden - und wenn es an der Zeit ist,
dann fragt er mich:
Wir gehen jetzt zum Gebet in die Moschee, kommst du mit?
Selbstverstaendlich gehe ich mit. Waehrend sich die anderen vorne
am Mihrap versammeln, knie ich, ich alleine, weiter hinten auf
den Boden, und solange sie ihre Anbetung halten, bete ich still
auf meine Weise.
Es ist immer ein besonderes Erlebnis fuer mich: Zuerst die Ruhe und Sammlung, die wir noch gemeinsam haben. Dann beten wir zwar auf verschiedene Art und mit verschiedenen Worten - ja sogar in verschiedenen Sprachen, aber wir sind uns doch irgendwie sehr nahe. Wir beten im gleichen Raum und zur gleichen Zeit zum gleichen Gott, und so sind wir - trotz verschiedenen Glaubens - auf eine tiefe Weise innerlich vereint.
Um so schmerzlicher ist es, wenn wir nach dem Gebet unsere Gespraeche fortsetzen und wieder einmal feststellen, wie verschieden unsere Auffassungen sind. Wir streiten nicht, aber verstehen Sie: So viele Unterschiede, so grundlegende Verschiedenheiten, das tut nach einer solchen inneren Naehe vorher einfach weh.
Da liegt dann die Frage nahe, ob es wirklich keine Moeglichkeit gibt, dass wir uns auch in den Grundfragen des Glaubens naeher kommen koennten. Tatsaechlich fragen mich viele moslemische Freunde immer wieder einmal, ob ich mich nicht doch endlich zum wahren Glauben bekennen wolle. Und auch in Deutschland werde ich immer wieder gefragt, ob ich nicht nach so langer Bekanntschaft wenigstens meine besten Freunde zum wahren Glauben an Jesus Christus bekehren koenne. Aber mein Freund Suphi ist so tief in seinem eigenen Glauben verwurzelt, dass ein Uebertritt zu unserem Glauben voellig undenkbar ist. Und auch ich liebe meinen eigenen Glauben so sehr, dass ein Uebertritt zum Islam fuer mich genauso wenig in Frage kommen kann. Also leben wir weiter - im Gebet vereint und im Glauben getrennt, und hoffen, dass Gott, den wir beide ueber alles lieben und verehren, auf uns alle gnaedig herabsehen moege.
Ich weiss nicht, ob es mir gelungen ist, zu zeigen, was mich so sehr bewegt: Ich habe wirklich eine ganze Reihe moslemischer Freunde, mit denen ich mich tief verbunden fuehle. Wir kennen uns schon viele Jahre und haben es gelernt, den Glauben des anderen zu achten, und so ist unser verschiedener Glaube letztlich eine Bereicherung fuer uns alle geworden. Und nun moechte ich von unseren Erfahrungen weitergeben. Ich moechte anderen - Christen und Moslems - helfen, den fremden Glauben zu achten und zu lieben, so dass wir alle, trotz verschiedenen Glaubens, Freunde werden und bleiben koennen.
Der Weg dahin ist allerdings nicht einfach - es liegen viele Hindernisse darauf, ueber die wir offen sprechen muessen. Auch das muss man lernen. Ich moechte nun ueber vier Schritte auf diesem Weg etwas ausfuehrlicher sprechen. Man koennte sie etwa so bezeichnen:
1) Keine Angst um die andersglaeubigen Freunde
2) Interesse fuer den anderen Glauben
3) Achtung vor dem Glauben der anderen
4) Freundschaft mit den anderen
Keine Angst um die anderen. Ich vermute, sie haetten eher erwartet, dass sage keine Angst vor den anderen. Das waere sicher auch richtig, aber aus meiner Erfahrung scheint mir die Angst um den anderen mindestens genauso wichtig, vielleicht sogar noch wichtiger zu sein. Sehen Sie, je aelter ich werde, desto unruhiger werden manche meiner Freunde. Sie befuerchten, ich koennte sterben ohne mich zum Islam bekehrt zu haben. Haci Suphi hat mich im vergangenen Jahr darauf angesprochen:
Tilmann, wir sind doch so gute Freunde. Wie schoen waere es, wenn wir auch im Paradies beisammen sein koennten. Andere sagen das nicht so behutsam: Hast du denn gar keine Angst vor der Hoelle? bin ich auch schon ein paarmal gefragt worden. Und dann erklaeren sie mir, warum ich besonders gefaehrdet bin: Weisst du, wenn ein Mensch nichts weiss vom richtigen Glauben, dann ist er ja unschuldig. Aber du weisst alles, du kennst doch den Koran, du weisst also, welches der richtige Glaube ist. Wenn du dich nicht zum Islam bekennst, dann gibt es keine Rettung fuer dich.
Mit Haci Suphi habe ich damals laenger ueber diese Frage gesprochen. Ich glaube, dass Gott gut und gerecht ist, habe ich ihm vorgehalten, wie kann er mich dann dafuer bestrafen, dass ich in Deutschland geboren wurde, dass meine Eltern Christen waren und dass ich dem Glauben meiner Eltern treu bleiben will?
Aber im Koran steht es doch so, hat er mir darauf traurig geantwortet, und er hat dabei fast geweint.
Sie verstehen nun, was ich damit meine: die Angst um den anderen. Es ist die Angst um das Seelenheil des Freundes, der einem anderen Glauben angehoert und dabei bleibt. Auch auf christlicher Seite gibt es diese Angst. Denken Sie nur daran, wie im Mittelalter die Menschen von der Hoellenangst gequaelt worden sind. Und vergessen Sie auch nicht, dass viele Missionare nur deshalb in fremde Laender gegangen sind, weil sie Menschen retten wollten, indem sie ihnen den richtigen Glauben verkuenden.
Ich habe heuer mit einigen gelehrten islamischen Theologen ueber diese Frage gesprochen, und sie haben mir alle gesagt, mein Freund Suphi sei im Irrtum. Christen, so erklaerten sie mir, gehoeren zum Ehl-i kitap, das heisst, sie haben ein von Gott geoffenbartes Buch, und wenn sie diesem Buch entsprechend leben, dann koennen sie genauso gut ins Paradies kommen wie ein glaeubiger und richtig lebender Moslem.
Was sollte ich dazu sagen? Dann sorgt aber bitte dafuer, dass alle eure Moslembrueder das auch erfahren, denn die machen sich sehr grosse Sorgen um uns Christen, musste ich meine islamischen Kollegen bitten.
Ich bitte Sie nun instaendige, laecheln Sie nicht ueber die Sorgen meiner Freunde. Denen ist es bitterernst, sie fuehlen sich fuer mich verantwortlich und haben grosse Angst um mich. Bedenken Sie bitte auch, wie gefaehrlich diese Aengste sind:
Was fuer Sorgen muessen sich moslemische Eltern machen, wenn sie ihre Kinder in einen christlichen Kindergarten oder eine christliche Schule schicken muessen. Und was fuer Probleme haben christliche Eltern oft in der Tuerkei. Wenn die Schule nicht waere, hat mir einmal ein Vater gesagt, dann wuerde ich gerne in der Tuerkei bleiben. Aber viele Lehrer wollen unseren Kindern eben unbedingt den Islam beibringen. Bedenken Sie auch, wie schrecklich es fuer viele Eltern ist, wenn ihre Kinder andersglaeubige Freunde haben oder gar einen andersglaeubigen Partner heiraten wollen. Es geht dann ja nicht nur um andere Sitten und Gewohnheiten, es geht fuer viele Menschen dabei um den wahren Glauben und damit eben auch um das Seelenheil ihrer Kinder.
Liebe Freunde, meinen Sie nicht auch: Es gibt nur einen Weg, wir muessen miteinander reden, und vor allem: Wir muessen zuerst einmal mehr ueber den Glauben der anderen erfahren. Damit bin ich bei meinem zweiten Punkt: sich fuer die anderen interessieren, anders gesagt: mehr ueber die anderen wissen. Ich habe mich da zuerst einmal gefragt: Was wusste ich ueber den Islam, bevor ich mit Moslems ueber ihren Glauben gesprochen hatte?
Natuerlich haben wir in der Schule einiges ueber den Islam gelernt. Ich wusste also, dass es da einmal einen Mann gab, der Mohammed hiess, in Mekka lebte und behauptete, er sei ein Prophet. Wir hatten auch gelernt, dass er seine Prophezeiungen in einem Buch aufgeschrieben hatte, das Koran heisst, und dann hatte man uns noch gesagt, dass bei den Mohammedanern - so nannten wir sie - Gott den Namen Allah hatte. Ausserdem hatte ich auch einige spannende Geschichten gelesen, so zum Beispiel den Roman von Karl May, wo er erzaehlt, er sei verkleidet heimlich nach Mekka gereist, und weiter kannte ich natuerlich Ali Baba und die vierzig Raeuber und andere Geschichten aus Tausendundeiner Nacht.
Dann erinnere ich mich noch an ein Missionsfest. Da hatte uns ein Missionar zuerst von Afrika und Neu Guinea erzaehlt, und ich erinnere mich gut daran, wie wir uns freuten, als wir hoerten, dass unsere Missionare in diesen Laendern so grosse Erfolge hatten; und dann waren wir traurig, als er berichtete, dass es so gut wie unmoeglich sei, Mohammedaner zum christlichen Glauben zu bekehren. Die wollen das Evangelium einfach nicht annehmen, erklaerte er uns bedrueckt.
Ich schaeme mich heute, wenn ich daran denke. Aber bedenken Sie bitte, wir hatten ja damals keinerlei Moeglichkeit, mit einem Moslem zu sprechen, wir wussten eben nur, was in unseren Buechern zu lesen war. Dass es aber heute, wo wir so eng zusammenleben, immer noch viele Christen gibt, die nicht viel mehr wissen als ich damals, das ist ein Skandal. Heute haben wir doch die Moeglichkeit, mit den anderen zu reden und sie zu fragen. Wie kann man Menschen Tag fuer Tag begegnen und sich nicht fuer ihre Gedanken und fuer ihren Glauben interessieren! Ich kann das einfach nicht verstehen!
Nun muessen wir natuerlich die Frage auch umgekehrt stellen:
Was weiss ein Moslem gewoehnlich ueber den christlichen Glauben, bevor er mit einem Christen gesprochen hat? Und - muss ich wohl fortfahren - was wissen Moslems, die zwar in Deutschland leben, aber nicht mit Christen ueber Glaubensfragen sprechen?
Ich habe in vielen Gespraechen folgende Erfahrungen gemacht:
Wenn in einem Gespraech die Rede darauf kommt, dass ich Christ (und sogar Theologe) bin, dann beginnt mein Gespraechspartner in den allermeisten Faellen mit den Worten:
Doert kitap var = Es gibt vier Buecher, und dann erklaert er mir:
Zuerst hat Gott dem Propheten Mose die Thora gegeben - aber die Juden haben dieses goettliche Buch nach ihrem Geschmack veraendert, also Gottes Wort verfaelscht. Danach hat Gott ein neues Buch herabgesandt, er gab dem Propheten David den Zebur, so heisst bei ihnen der Psalter. Aber auch dieses Buch haben die Juden veraendert. Noch einmal sandte Gott nun ein Buch, er gab dem Propheten Jesus das Incil, also das Evangelium. Aber auch dieses Buch wurde nicht rein erhalten, diesmal waren es die Christen, die es verfaelscht haben. Nun hat Gott den Menschen noch einmal ein heiliges Buch herabgesandt, er gab dem Propheten Mohammed den Koran. Und dieses Buch ist dann bis heute voellig unveraendert erhalten geblieben - kein Wort, ja nicht einmal ein Buchstabe ist darin veraendert worden.
Das ist das Grundwissen - ich habe noch keinen Moslem kennengelernt, der diese Lehre nicht kannte. Fuer uns Christen hat das zwei schwerwiegende Folgen:
Wir sind in den Augen der meisten Moslems unwissend. Sie sehen uns dann etwa an, als waeren wir Reisende, die einen ungueltigen Fahrplan benutzen, obwohl es laengst einen neuen gibt. Ich erlebe das manchmal auf recht drollige Weise, wenn mich naemlich in der Tuerkei jemand vorstellt und dabei sagt: Er ist Christ, aber er ist gar nicht dumm.
Nun bemueht man sich, uns zu belehren, und wenn wir dann trotzdem bei unserem Glauben bleiben, dann heisst es oft: Warum willst du nicht Mohammed als einen Propheten und den Koran als das wahrhaftige Gotteswort anerkennen? Achten Sie bitte auch die beiden Woertchen "willst nicht"! Hier wird uns unterstellt, wir koennten zwar die Wahrheit erkennen, aber wir wollten einfach nicht. Moslems sind also auch enttaeuscht, dass Christen sich nicht bekehren lassen wollen. Und wer die Wahrheit kennt, aber sie nicht annimmt, der ist eigentlich boese, und so bin ich auch schon vorgestellt worden mit den Worten: Er ist ein Christ, aber er ist ein guter Mensch.
In einigen volkstuemlichen Schriften habe ich nun noch eine haertere Aussage gelesen. Christen wollen nicht nur sich nicht zum Islam bekehren, sondern sie wollen - so heisst es woertlich - den Islam "yok etmek", also vernichten.
Zum Glueck gibt es nicht nur solche Schriften, sondern auch
eine ganze Menge gute Erklaerungen, die von Moslems fuer Christen
geschrieben wurden. Sowohl in der Tuerkei wie im Iran habe ich
solche Buecher gefunden. Die meisten sind englisch geschrieben,
es gibt aber auch gute Schriften auf Deutsch. Ich denke da zum
Beispiel an den Kleinen Islamischen Katechismus, den ich schon
oefters an Lehrer und Pfarrer verschenkt habe. Da kann man sich
gut und sachgemaess ueber den Islam informieren.
Gute
christliche Buecher fuer Moslems gibt es leider weniger, sie
waeren aber ohne Zweifel genauso wichtig, denn ich finde: Ein
Christ kann immer noch am besten ueber den christlichen Glauben
informieren. Auch wenn ein Moslem es noch so gut meint, es ist
eben nicht sein eigener Glaube, wenn er ueber das Christentum
schreibt.
Aber beim Lesen kann ich keine Fragen stellen, ich kann daher manches falsch verstehen, und deshalb muss ich es noch einmal sagen: Das Wichtigste ist, dass wir zusammenkommen und miteinander reden, nur so kann sich jeder ein objektives Bild vom anderen Glauben machen.
Es gibt allerdings darunter auch schlechte Buecher. Liebe Freunde, ich muss nun ueber dieses schmerzliche Kapitel ein paar Worte sagen, denn hier wird deutlich, ob wir wirklich Achtung vor dem Glauben der anderen haben.
Es muss einem Moslem weh tun, wenn Christen immer wieder sagen: Moslems beten nicht zu Gott, sondern zu Allah. Alle christlichen Theologen wissen, dass das dritte Wort im ersten Kapitel der Bibel Elohim heisst, und auch wer nicht Hebraeisch gelernt hat, der kann erkennen: Elohim, oder in der kuerzeren Fassung Eloah ist das gleiche Wort wie Allah, nur eben in einem anderen semitischen Dialekt. Noch wichtiger als das Wort ist aber die Sache: Wenn wir zu dem einen, einzigen und guetigen Gott beten, und Moslems verehren auch den einen, einzigen und guetigen Gott - wie kann man da behaupten, das waeren zwei verschiedene Goetter!
Noch schlimmer, ja richtig gemein ist es, wenn man behauptet: Moslems beten einen Wuestendaemon an. Ich habe diesen furchtbaren Satz leider schon ein paarmal gehoert und gelesen. Da muss ich alle Christen eindringlich bitten: Widersprechen Sie solchen Gemeinheiten. Bedenken Sie dazu bitte: Auch das griechische Wort fuer Gott Theos kommt in alten heidnischen Geschichten immer wieder vor. Der Dichter Homer spricht zum Beispiel oft von Theos und meint damit Zeus oder Poseidon. Wer von uns kaeme da aber auf den Gedanken, im Evangelium waere von Zeus oder Poseidon die Rede, wenn es heisst: "Also hat derTheos (wie es woertlich uebersetzt heisst) die Welt geliebt." Bitte, helfen Sie alle mit, dass solche gemeine Behauptungen aus der Welt geschafft werden.
Nun gibt es jedoch auch auf islamischer Seite Buecher, die uns Christen weh tun. So ist zum Beispiel vor einigen Jahren in Istanbul ein Buch herausgekommen "Cevab veremedi" = Er konnte keine Antwort geben. Schon der Titel ist ja interessant. Man wird neugierig und moechte wissen, wer da keine Antwort gewusst hat. Es stellt sich dann heraus, dass hier ein Moslem erzaehlt, wie er sich mit einem christlichen Pfarrer unterhalten hat - und der christliche Theologe wusste immer wieder nicht, was er antworten sollte.
Vielleicht wusste dieser Pfarrer wirklich manchmal nicht, was er sagen sollte. Aber das Buch ist so geschrieben, als wuessten alle Christen keine Antworten, wenn man sie ueber ihren Glauben befragt - und das finde ich unverschaemt. Hier wird das alte Vorurteil neu bestaetigt: Christen sind dumm. Ich meine, wer Achtung vor unserem Glauben hat, der kann mit so einem Buch nicht einverstanden sein.
Ich denke auch noch an ein anderes Buch. Es ist schon aelter, aber es wurde 1990 in Izmir neu herausgegeben, und seit 1994 gibt es auch eine deutsche Uebersetzung: "Muhammad in der Bibel" heisst der deutsche Titel. Ein chaldaeischer Priester, der 1904 zum Islam uebergetreten ist, legt in diesem Buch die Bibel auf seine Weise aus. Er findet unzaehlige Stellen, wo nach seiner Meinung Mohammed vorausgesagt ist. Ich kann hier nur einige Beispiele nennen:
Da spricht zum Beispiel der Prophet Jeremia mit dem falschen Propheten Hananja (Jer. 28,9) und sagt: "Den rechten Propheten erkennt man daran, dass seine Prophezeiungen in Erfuellung gehen". Der Verfasser dieses Buches meint nun, da kann nur Mohammed gemeint sein, mit dem wahren Propheten. Auch Johannes der Taeufer hat nach seiner Auslegung nicht Jesus angekuendigt, sondern Mohammed. Nicht nur der Taeufer, sogar die Engel in der Weihnachtsgeschichte sagen den Islam voraus: "Friede auf Erden den Menschen seines Wohlgefallens" heisst es, wenn man die Worte des Engels genau uebersetzt. Wohlgefallen heisst auf Griechisch Eudokia - und was kann mit Eudokia, so meint der Chaldaeer, anderes gemeint sein als der Islam. Auch Jesus redet von Mohammed, denn der Menschensohn, von dem er immer wieder spricht, das ist natuerlich Mohammed. Und das Gottesreich, von dem Jesus so viel erzaehlt, das ist dann selbstverstaendlich auch nichts anderes als der Islam.
Auch in diesem Buch werden wir Christen diskriminiert: Es steht alles in unserer Bibel, aber wir kapieren es nicht. Und noch schlimmer: Im Vaterunser beten wir jeden Tag "Dein Reich komme" und wissen gar nicht, dass wir damit um die Ausbreitung des Islam beten.
Liebe moslemische Freunde, ein solches Buch tut uns weh. Es klingt zwar wissenschaftlich, aber es ist sachlich falsch. Ein Buch, das unsere Heilige Schrift so boshaft auslegt, das solltet ihr nicht lesen - oder wenn ihr es lest, dann nehmt es bitte nicht ernst. Das sage ich nicht, weil ich zu dumm bin, es zu verstehen, sondern weil die Behauptungen darin wirklich sachlich unhaltbar sind; einer wissenschaftlichen Pruefung halten sie absolut nicht stand.
Meine Damen und Herren, ich hoffe, es hat sich nun niemand ueber mich geaergert. Es war gewiss nicht meine Absicht, irgend jemand weh zu tun. Ich wollte nur einige Hindernisse aufzeigen, die auf dem Weg zur Freundschaft zwischen Moslems und Christen liegen. Ich habe Fragen angesprochen, ueber die wir offen miteinander reden muessen - nicht im Streit, sondern in Freundschaft, aber offen.
Wir muessen uns aber sehr hueten, bei den anderen nur nach dem zu suchen, worueber wir uns aufregen koennen. Fragen wir doch lieber nach dem, was uns an den anderen und an ihrem Glauben beeindruckt!
Es gibt Vieles, was mich am Islam beeindruckt. Ich moechte zwei Beispiele herausgreifen: das Gebet und die Zekat.
Ich habe mich schon viel mit Meditation beschaeftigt. Ich habe viel darueber gelesen und viel darueber nachgedacht, und ich habe auch so allerlei selbst ausprobiert und geuebt. Es sind vor allem zwei Dinge, die mich an christlicher Meditation immer wieder gestoert haben: Das meiste ist zu kompliziert und zu individualistisch. Seit vielen Jahren suche ich nach einer Art zu meditieren, die so einfach ist, dass sie der einfachste Mensch lernen kann, und gleichzeitig so anspruchsvoll, dass auch der gebildetste daran teilnehmen kann. Und es waere doch schoen, wenn nicht jede Gruppe ihre eigene Art zu meditieren haette, wenn also die ganze christliche Gemeinde miteinander diese Uebungen durchfuehren koennte.
Und nun schauen Sie sich das islamische Gebet an: so einfach, dass alle mitmachen koennen, und gleichzeitig so inhaltsvoll, dass es fuer alle, einfache und gelehrte Menschen, gleich geeignet ist; und so knapp, dass auch der gestresste Zeitgenosse die Zeit dafuer aufbringen kann. Und man kann es sowohl alleine wie auch in der Gemeinschaft halten. Und ausserdem ist es sowohl Gebet wie echte Meditation.
Ich muss gestehen, dass ich Moslems darum etwas beneide. Ich meine nun nicht, dass wir es einfach nachmachen sollten - das ginge ja auch gar nicht. Aber ich finde, hier koennen wir vom Islam lernen - vielleicht waere das tatsaechlich ein Weg, dass wieder mehr Christen regelmaessig beten.
Und dann ist da die Zekat. Man kann dieses Wort eigentlich nicht uebersetzen. In vielen deutschen Buechern heisst es "Armensteuer", aber es ist ja keine Steuer, die eingehoben wird. Es ist aber auch keine Spende. Zekat bedeutet, dass jeder Moslem, der dazu in der Lage ist, etwas abgibt; er gibt aermeren Menschen das, was ihnen von Gott her zusteht.
Ob die Zekat immer richtig gehandhabt wird, das ist eine andere Frage. Aber dass es Gottes Wille ist, dass wir abgeben - nicht ein Almosen also, kein Notopfer und keine Spende, sondern dem andern geben, was ihm zusteht - das leuchtet mir ein.
Darueber hinaus behaupten Moslems, sie haetten zwischen Kapitalismus und Sozialismus eine dritte Moeglichkeit, wie man die Weltwirtschaft gestalten koenne. Ich verstehe davon zu wenig, um eine Stellung dazu zu haben, aber ich bin neugierig. Wenn das wahr ist, dann kann vom Islam noch ein guter Impuls fuer die ganze Welt ausgehen.
Wieder muessen wir natuerlich auch in die andere Richtung blicken. Eigentlich muessten wir nun einen Moslem zu Wort kommen lassen, aber ich kann mich ja auch selbst einmal fragen: Was beeindruckt mich selbst an meinem eigenen Glauben besonders?
Sie werden verstehen, dass es mir hier schwerfaellt, eine einfache Antwort zu geben. Es gibt so viel, was mir am christlichen Glauben wichtig ist. Ich will auch hier zwei Dinge herausgreifen:
Ich habe schon davon gesprochen: Moslems halten uns vor, wir haetten das Evangelium veraendert. In gewisser Weise haben sie mit dieser Behauptung recht. Vielleicht wundern Sie sich nun, aber ich finde gerade diese Veraenderungen gut. Ich sehe das so:
Jesus war Jude, und so hat er natuerlich juedisch, also aramaeisch gesprochen. Auch die ersten Aufzeichnungen des Evangeliums waren sicher aramaeisch. Als sich der christliche Glaube dann ausbreitete, kam die Frage auf: Muessen Griechen, Roemer, Aethiopier, Syrer und alle anderen Voelker, muessen die nun alle aramaeisch lernen, wenn sie das Evangelium lesen und wenn sie mit Worten des Evangeliums beten wollen? Und so hat man das Evangelium zuerst ins Griechische und dann in viele andere Sprachen uebersetzt.
Und weiter: Jesus war Jude, er war also beschnitten wie alle juedischen Maenner, und er hat bestimmt nie Schweinefleisch gegessen. Nun war die Frage: Muessen die anderen Voelker alle zuerst Juden werden, muessen die Maenner sich beschneiden lassen, und muessen sie alle die juedischen Gebote halten, wenn sie Christen werden wollen? Die ersten Christen haben es sich nicht leicht gemacht mit diesen Fragen, es wurde heftig diskutiert. Aber man ist zu der Entscheidung gekommen: Es gibt juedische Christen und es gibt griechische und andere Christen - und um ein Christ zu sein muss man nicht erst juedische Sitten und Gewohnheiten annehmen.
Diese Entwicklung geht uebrigens bis heute weiter. Heute heisst die Frage auf einmal: Muss man erst ein Europaeer werden, wenn man Christ sein will?
Das alles ist etwas, das mich fasziniert: Dass Christen immer gefragt haben: Was ist wesentlich? Was duerfen wir auf keinen Fall aufgeben? Und was ist zeitgebunden, was war frueher einmal richtig, muss aber heute geaendert werden?
Zum Schluss mu8 ich noch etwas ganz Persoenliches sagen:
Ich stamme aus einer Familie, in der ich als Kind kaum etwas ueber den christlichen Glauben erfahren habe. Die ersten biblischen Geschichten habe ich in der Schule gehoert. Dass es eine Bibel und Evangelien gibt, habe ich zum ersten Mal im Konfirmandenunterricht gehoert. Es war fuer mich daher gar nicht selbstverstaendlich, christlich zu leben. Ich habe als Jugendlicher lange ueberlegt: Soll ich mich dafuer entscheiden oder dagegen? Dass ich mich dafuer entschieden habe und spaeter sogar Pfarrer geworden bin, dafuer sind zwei Bibelworte verantwortlich:
Es wird ueberliefert: Als Jesus ans Kreuz geschlagen wurde, da hat er gebetet: "Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun."
Seitdem ich diese Worte gehoert habe, bewegen sie mich. Ich liebe und bewundere seit dieser Zeit Jesus auf eine Weise, die ich nicht beschreiben kann. Irgendwie ist mein ganzes Leben dadurch gepraegt worden. Spaeter habe ich dann im Ersten Johannesbrief die Worte gefunden: "Gott ist Liebe; wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm." Auch diese Worte gehoeren zum Wichtigsten in meinem Leben.
Ich meine nun: Ein Moslem, der den Koran ueber alles liebt, der muss doch verstehen, wie sehr ich diese Worte und wie sehr ich das Neue Testament liebe. Und ich hoffe daher: Wenn wir uns in diesem Punkt verstehen, dann muessen wir doch auch Freunde werden koennen. Und dass die Glaeubigen beider Religionen Freunde werden, das halte ich fuer so ueberaus wichtig, und ich glaube auch fest, dass das Gottes Wille ist.
Tilmann Steinert
www.chrislages.de Der Internet-Service der Christlich-Islamischen Gesellschaft (CIG e.V.) Impressum, Datenschutz und Haftung. Email: info@chrislages.de |