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Oben Jesus, unten Allah

Im oberbayerischen Ebersberg beten evangelische Christen und Muslime unter einem Dach

von Klaus Honigschnabel

Im oberbayerischen Ebersberg ist der Islam zum Greifen nah. Im Erdgeschoss der Heilig-Geist-Kirche beten die Evangelischen das Vaterunser, im Keller verbeugen sich die Glaeubigen des Islamischen Gemeinschaftszentrums fuenfmal am Tag in Richtung Mekka und skandieren ihr "Allahu akbar". Am Sonntag bekommen die Kinder Interricht im Koran. Beim Freitagsgebet gibt es mittlerweile erhebliche Platzprobleme.

Seit fast zwei Jahren geht das schon so. Die islamische Gemeinde hat einen regulaeren Mietvertrag, zahlt fuer die drei Raeume unter der Kirche 350 Mark monatlich, und wenn es in ihrer "mescid" (kleinen Moschee) einmal zu eng wird - wie beispielsweise am Ende des Fastenmonats Ramadan - findet das Gebet in Richtung Suedosten eben einen Stock hoeher statt, im evangelischen Gemeindesaal.

Und fuer den Fall, dass die Protestanten bei einer groesseren Feier den ehemaligen Jugendraum benuetzen wollen, duerfen sie das auch. So steht's im Mietvertrag. Die neuen Mieter haben nicht nur ein Fusswaschbecken eingebaut, sondern auch zum Erhalt der maroden kirchlichen Bausubstanz beigetragen. In Eigenregie haben sie innerhalb weniger Wochen ein muffiges Kellerloch in einen freundlichen, tuerkisfarbenen Raum verwandelt mit Teppichboden, Holzverkleidung und marmorierter Decke.

Bundesweit einmalig beten damit Christen und Muslime unter einem Dach, "selbstredend aber in verschiedenen Raeumen", wie der bayerische Landesjugendpfarrer Rainer Brandt erzaehlt. Er war Gemeindepfarrer in Ebersberg, als das ungewoehnliche Projekt begann, auf Bitten des Ebersberger Buergermeisters, mit Unterstuetzung des Landrats (beide CSU) und ermoeglicht durch einen einstimmigen Beschluss des Kirchenvorstands. "Es will gegenseitiges Verstaendnis wecken und helfen, Menschen die Moeglichkeit zu geben, ihren Glauben zu leben", schrieb Pfarrer Brandt damals im Gemeindebrief.

Christentum und Islam haetten eine "gewaltige Geschichte" (gemeint vermutlich "gewalttaetige Geschichte") miteinander, nun sei es an der Zeit, "diesen Teufelskreis aus Vorurteilen, Halbwissen und Gewalt, der immer wieder seine Blutspur seit den Kreuzzuegen bis heute legt, zu durchbrechen". Pfarrer Brandt weiter: "Wir beschreiten damit einen Weg zum Dialog, ohne dass einer der Pfarrer seine Identitaet verraten muesste. Dieses Miteinander oeffnet auch fuer unsere Kinder das Tor zur Zukunft."

Und es gibt noch einen Grund, warum das islamische Gemeinschaftszentrum bei den Verantwortlichen der Heilig-Geist-Gemeinde offene Tueren eingerannt hat: Die "zuagroasten" Evangelischen in Ebersberg durften nach dem Krieg ihre Gottesdienste jahrelang in der katholischen Kirche feiern.

Mehmet Kuecuek, der Leiter der islamischen Gemeinschaft, ist sich der Einmaligkeit dieses Vorgangs durchaus bewusst: "Wir schreiben hier interkulturelle Geschichte. Es ist keine alltaegliche Sache, dass zwei Religionen so nah zusammen sind." Und: "So nah, wie wir uns raeumlich sind, sind wir es auch im Herzen."

Zwei Jahre lang hatten sie einen geeigneten Raum gesucht. Als Kuecuek dann den Kirchenkeller zum ersten Mal sah, hat ihn fast der Schlag getroffen: "Es hat hier furchtbar ausgeschaut", erinnert er sich. "Das war eine mutige Sache, fuer beide Seiten."

Inzwischen ist ihm und den anderen, die hier regelmaessig Allah preisen, die kleine Moschee ans Herz gewachsen. Kuecuek: "Freiwillig gehen wir hier nicht mehr raus, und wenn's noch so eng ist."

Wenn der 26jaehrige Elektroingenieur, der in Istanbul geboren ist und mit fuenf Jahren nach Deutschland kam, das so sagt, denkt er auch in ganz anderen Dimensionen. Fuer ihn ist es schlichtweg untragbar, dass die Muslime in der Bundesrepublik zwar steuerlich anerkannt sind, aber nicht als Kirche. "Wir gehoeren zu dieser Gesellschaft. Es gibt uns, man kann uns nicht mehr wegdenken." Wer das nicht akzeptiert, sagt Kuecuek, "stoert die Integration, verstaerkt die Isolation - und dann gibt's kriminelle Gruppen."

In Ebersberg haben sie mit Gewalt ueberhaupt nichts im Sinn. Nicht nur, weil es in ihrer Vereinssatzung so steht, sondern auch, weil der Glauben es ihnen verbietet. "Alles, was mit Gewalt zu tun hat, kann mit dem Islam nichts zu tun haben", sagt Mehmet Kuecuek. "Allah hat uns nicht geschaffen, um auf dieser Welt Schrecken hervorzubringen, sondern um ein friedliches Leben zu fuehren und um das Paradies zu erreichen." Etwas Schlechtes tun, um etwas Gutes zu erreichen, das gehe nicht, sagt Kuecuek.

Am Begriff Fundamentalisten kann Mehmet Kuecuek nichts Schlechtes finden: "Ein Mensch, der in seiner Religion nicht fundamentalistisch ist, hat seinen Halt verloren. Es gibt kein Gebaeude, das kein Fundament hat. Und unser Fundament ist eben der Islam."

Natuerlich hat es auch Probleme gegeben mit der kleinen Moschee im Bayerischen Oberland. Ein Ehepaar ist aus der Kirche ausgetreten. Zahlreiche Briefe erreichten die Gemeinde, wobei der Protest vorwiegend "von weit her" kam, erinnert sich Pfarrer Brandt. So griff ein anonymer Schreiber die "Gefuehlsduselei" der Gemeinde an und schrieb: "Sind sie wirklich so naiv, dass Sie nicht merken, dass der Islam mit Schmeicheleien, Ueberredung, Tricks und Gewalt die Weltherrschaft anstrebt? Wissen Sie eigentlich nicht, was Ihre Frauen und Toechter da erwartet?

Der Sprecher des konservativen "Arbeitskreises Bekennender Christen" in Bayern, Pfarrer Wolfhard Schlichting, konstatierte gar einen "eindeutigen Verstoss" gegen das Ordinationsgeluebde der bayerischen Pfarrer und gegen das von den Kirchenvorstehern abgegebene Versprechen, die beide dem Augsburger Bekenntnis verpflichtet sind. In dieser fuer die bayerische Kirche verbindlichen Bekenntnisschrift, so Schlichting gegenueber der evangelischen Nachrichtenagentur idea, werde das Gottesverstaendnis des Islam ausdruecklich als Irrlehre verworfen.

Auf wenig Begeisterung stiess die Vermietungsaktion auch beim Landeskirchenrat in Muenchen. In einem Rundschreiben an alle Geistlichen betreffend "Gebetsraeume fuer Muslime in Kirchengemeinden" wird zwar festgestellt, dass der Bitte von Muslimen, die sich "in ihrer Not an christliche Gemeinden" wenden, "so weit als moeglich entsprochen werden" solle. Die Suche sei "allerdings auf nichtkirchliche Raeume zu konzentrieren".

Sollten dennoch Gemeinderaeume vermietet werden, sei zu beachten, dass "gottesdienstlich genutzte Raeume, Kirchen und Kapellen nicht zur Verfuegung gestellt werden koennen". Ausserdem sei "eine zeitliche Begrenzung von vornherein vorzusehen". Bei "unklaren Verhaeltnissen" solle keine positive Entscheidung gefaellt werden, raet der Landeskirchenrat. "Durch gutgemeinte, aber unbedachte Entscheidungen kann langfristig mehr Schaden als Gewinn entstehen."

Auch bei Mehmet Kuecuek regte sich Protest. Ein islamischer Wuerdentraeger meinte am Telefon, diese Oeffnung gegenueber dem Christentum sei unzulaessig. Kuecueks Antwort: "Ich kenne den Koran sehr gut, und ich weiss, was ich tue."

Quelle: Das Sonntagsblatt, 24.Januar 1997, Seite 23.


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