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"Allahu akbar!" Allah ist der Größte, und das kann auch jeder hören. Seit gestern ruft die türkisch-islamische Gemeinde per Lautsprecher zum Freitagmittagsgebet.
Der Ruf des Muezzins - so selbstverständlich er in der Türkei ist, hierzulande ist er oft noch die Ausnahme. Um so glücklicher waren die Türken, die gestern in die Moschee an der Martin-Luther-Straße strömten. "Das ist ein Geschenk Gottes an uns, weil erstmals ein Gebetsruf nach außen dringt, der Ruf Allahs, der die Menschen zum Gebet einlädt", erklärt Vereinsvorstand Murat Altuntas (36).
Gespannt warten viele Muslime vor dem Gebäude auf den entscheidenden Moment. Die anderen haben sich bereits im Gebetsraum versammelt, wo der Imam predigt. Um kurz vor halb drei, gut fünf Minuten später als geplant, ist es dann soweit. Den Rücken den Gläubigen zugewandt, den Blick Richtung Mekka, ruft er zum Gebet. Ein weißer 30-Watt-Lautsprecher überträgt seinen etwa vierminütigen Singsang nach draußen. Viermal ruft der Vorbeter "allahu akbar". Dann folgen weitere Bekenntnisse zu dem großen Gott.
Anders als in der Türkei, wo man den Ruf in der ganzen Stadt hört, dringt der Hattinger Muezzin kaum übers Moscheegelände hinaus. Niemand kann sich gestört fühlen. Für den elfjährigen Oguzhan hätte es ruhig etwas lauter sein können. Cetinkaya (10) freut sich, dass er endlich mal pünktlich zum Beten kommt.
Zweimal habe man die Lautstärke getestet, sagt Halil Simsek, Kassierer des Moscheevereins. Denn natürlich weiß der Verein, wie sensibel das Thema ist. In anderen Städten gab es schon heftige Auseinandersetzungen mit Nachbarn, die sich belästigt fühlten. In Marl wurde darüber lautstark im Rat diskutiert.
Soweit wollen es die Verantwortlichen in Hattingen nicht kommen lassen. Im November letzten Jahres hatten sie den Antrag bei der Stadt gestellt, damals noch hoffend, zweimal täglich zum Gebet rufen zu dürfen. Davon hielt die Verwaltung nicht viel, und man verständigte sich auf einmal pro Woche. Zwar ist der Muezzin ebenso wenig wie Glockengeläut genehmigungspflichtig. Trotzdem wartete der Moscheeverein bis April auf den Segen aus dem Rathaus. Das Ordnungsamt sähe sich zum Einschreiten erst veranlasst, wenn nach dem Immissionsschutzgesetz "unbeteiligte Dritte über Gebühr" gestört würden. Es geht davon aus, dass dies an der viel befahrenen B 51 mit wenig Bebauung nicht der Fall sein wird.
"Wir möchten weiter gut mit unseren Nachbarn zusammenleben", betont Vereinsvorsitzender Osman Bertan (43). "Religiöse Toleranz" signalisieren die anderen Kirchengemeinden. Diese müsse aber gegenseitig gelten, betont Pfarrer Klaus Sombrowsky von St. Georg. Er wünscht sich deshalb, "dass auch Glockengeläut in der Türkei selbstverständlich sein müsste".
Wobei Hattingen mit einem Gebetsruf pro Woche noch gut bedient ist. In der Moschee wird fünfmal gebetet - am Tag.
Erstmals rief die türkisch-islamische Gemeinde gestern per Lautsprecher zum Gebet - in einer absolut akzeptablen Lautstärke. Gemessen an dem Verkehrslärm der Martin-Luther-Straße war der Muezzin fast leise. Aber nicht zu leise. Um Gottes Willen. Der Moscheeverein sollte sich jetzt nicht veranlasst sehen, die Regler beim nächsten Mal aufzudrehen. Er hat genau den richtigen Ton getroffen.
Damit dürften Auseinandersetzungen mit möglichen Nachbarn in der Zukunft eigentlich ausgeschlossen sein. Eigentlich. Denn man weiß ja nie. Toleranz endet nicht selten vor der eigenen Haustür. Man kann nur hoffen, dass niemand einen Vorwand sucht, um gegen den Gebetsruf vorzugehen. Da gibt es genug traurige Beispiele aus anderen Städten - ohne die Fälle im Einzelnen beurteilen zu können.
Ein richtiges Wort haben die Pfarrer der Innenstadtgemeinden St. Georg und St. Peter und Paul gesprochen: Sie betonen die religiöse Toleranz. Wo Glocken täglich läuten, muss auch einmal pro Woche der Gebetsruf der Muslime erlaubt sein. Allerdings wünscht man sich diese religiöse Toleranz, da ist dem evangelischen Pfarrer Klaus Sombrowsky zuzustimmen, verstärkt auch innerhalb der Türkei gegenüber Andersgläubigen wie Christen.
Der Moscheeverein tut gut daran, sich weiterhin offen für die deutsche Gesellschaft zu zeigen. Erst kürzlich war dort noch die Kolpingfamilie zu Gast. Diese Besuche verstärken das Verständnis füreinander. Vielleicht sollten jetzt, wo der Muezzin einmal in der Woche zum Gebet ruft, auch die Nachbarn auf ein Glas Tee eingeladen werden.
Jürgen Augstein
Westfälische Allgemeine Zeitung, Lokalausgabe Hattingen, 07.05.2005
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