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Eine Moschee im Gewerbegebiet unserer Stadt soll erweitert werden. Grosse Kuppeln und ein hohes Minarett sollen das Gotteshaus zieren. Ein Bauantrag wird gestellt, doch "man" will ihn nicht genehmigen. Findige Juristen suchen Auswege. Eine Buergerversammlung zur Aenderung des Bebauungsplans wird einberufen, doch nur zwei betroffene Gewerbetreibende finden zu dieser Veranstaltung, eine interessierte Buergerschaft sucht man vergebens.
Die Diskussion zwischen den Ratsvertretern und Verwaltungsmitgliedern verlaeuft schleppend und zieht sich hin. Es ist zu spueren: Keiner will die Moschee im Ort, aber noch traut sich keiner, es offen auszusprechen. Man sucht "baurechtliche" Sachargumente zur Verhinderung des Umbaus. Hinter vorgehaltener Hand hoert man jedoch anderes: "Ich will keine Moschee. Das wird doch nur wieder ein neues Fundamentalistenzentrum. Die sprechen von einer Erweiterung des Gotteshauses, meinen aber eine Koranschule. Koennen wir etwa eine Kirche in Saudi Arabien oder in der Tuerkei bauen und dort unseren Glauben praktizieren? Da schreit demnaechst der Muezzin ueber den halben Ort. Das Minarett wird ja groesser als unser Kirchturm, und man sieht ihn schon von weit her. Was macht das fuer einen Eindruck von unserer Stadt?..."
Dies und vieles mehr war im Anschluss an der Veranstaltung zu hoeren. Endlich konnte man unter Gleichgesinnten seiner Meinung freien Lauf lassen. Na ja, in der Offentlichkeit sagt man es nicht gerne. Schliesslich will man kein Auslaenderfeind sein.
Diese Gespraeche haben mich nachdenklich gemacht. Ist eine Moschee mit 300 Gebetsplaetzen in einer Stadt mit fast 50000 Einwohnern und einem entsprechenden Auslaenderanteil wirklich ueberdimensioniert? Wer kennt sie eigentlich, die Tuerken?
Wer hat mit ihnen gesprochen? Was wissen wir ueber die tuerkische Gemeinde in unserem Ort? Stimmt es wirklich, dass jeder Moslem ein Fundamentalist ist? Wird aus einer Moschee gleich eine Koranschule, die die jungen Tuerken im islamistischen Sinne politisch und religioes indoktrinieren und gegen uns aufbrin- gen? Diese und viele andere Fragen gingen mir durch den Kopf. Christlichen Glauben in der Kirche zu praktizieren ist heute in unserem Land keine Selbstverstaendlichkeit mehr. Manche Religionssoziologen, selbst Bischoefe, sprechen vom Ende der Volkskirche. Leben wir nicht bereits in einer nachchristlichen oder neuheidnischen Epoche. Von den 16 Millionen Einwoh nern der neuen Bundeslaender sind neun Millionen ungetauft. Das bedeutet statistisch: Inzwischen ist jeder vierte Deutsche nicht getauft. Eine multireligioese Gesellschaft ist im Entstehen begriffen. Menschen anderen Glaubens, die diesen dann auch noch ganz selbstverstaendlich praktizieren, machen uns Angst. Wir werden in unserem Glauben ganz neu angefragt.
In Zukunft werden verschiedene Religionsgruppen auch ganz konkret in meiner Heimatstadt zusammenleben muessen.
Wir brauchen einen Dialog, und zwar nicht nur unter Religionswissenschaftlern und Theologen, sondern in demselben Masse unter den Menschen vor Ort. Auch wenn die derzeitige wirtschaftliche und soziale Lage in unserem Land die Menschen eher den Ellenbogen nutzen lassen als Solidaritaet zu praktizieren, so muessen wir dennoch die Integrationsbemuehungen um die auslaendischen Mitbuerger, die sich legal hier aufhalten, dringend verstaerken.
Der Dialog mit den Muslimen wird schwer werden. Im Islam gibt es kein Lehramt, das verbindliche Auslegungen machen kann. In Algerien toeten Islamisten im Namen des Islam. Andere Muslime widersprechen dem, weil sie davon ueberzeugt sind, dass der Islam Friede und Toleranz bedeutet. Fuer Nichtmuslime ist das schwer zu unterscheiden. Aber gerade das macht deutlich, dass wir dringend miteinander reden muessen; nur so koennen wir uns ein vernuenftiges Bild vom tatsaechlichen Leben der Muslime in unserer Nachbarschaft machen.
Beruehrungsaengste wird es auf beiden Seiten geben. Aber diese sollten wir im Vertrauen auf unseren Glauben leicht ueberwinden. Machen wir den Politikern Mut, die nicht nach der Stammtischhoheit schielen, sondern bereit sind, auch fuer die einzutreten, die bei der naechsten Wahl keine Stimme haben.
Heiner Funke, Leiter der Sozialen Seminare im (katholischen) Bistum Aachen, in Kirchenzeitung Aachen, Nr.27, 5.Juli 1998, Seite 25.
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