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Christlich-Islamische Gesellschaft e.V.
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Islamische Gemeinschaft MILLI GOERUES: Der Gesamtverband

Zusammenleben von Muslimen, Christen, Juden und Andersdenkenden:
Ueberlegungen und Vorstellungen der IGMG zu bestimmten Fragen

  1. Fragen zur Religion
  2. Fragen zum Verhaeltnis des Islam zu den anderen Religionen
  3. Verhaeltnis des Islam zu Staat und Gesellschaft
  4. Verhaeltnis des Islam zu den Menschenrechten.
  5. Erwartungshaltung gegenueber der anderen Religion


MILLI GOERUES: Der Gesamtverband

Stand April 1996
Merheimer Str. 229, D- 50733 Koeln
Postfach 60 04 03, D- 50684 Koeln
Telefon: 0221- 973 045-0
Telefax: 0221- 973 045-7


Zur Entstehung des Namens MILLI GOERUES

Der Begriff ist in der Tuerkei entstanden und kann sinngemaess mit "national-religioese Anschauungsweise" uebersetzt werden. In der islamischen Terminologie ist es die Anschauungsweise des Propheten Abrahams, des Urvaters der Propheten Moses, Jesus und Muhammad (s.a.s.) und damit aller drei Offenbarungsreligionen Judentum, Christentum und Islam. Diese Anschauungsweise teilen gemeinsam auch die Nachfolger Abrahams, die von Isaak oder Ismail abstammen. Sie bleiben der monotheistischen Tawhid-Lehre Abrahams treu, die seit dem ersten Propheten Adam den Glaeubigen als Richtschnur, als gerader Weg gelehrt wird.


Vorwort

Als Dachverband von islamischen Gemeindezentren und Migrantenvereinen in Europa koennen wir heute stolz auf eine dreissigjaehrige Geschichte der muslimischen Einwanderer zurueckblicken. Diese einfachen Menschen haben eine schwierige Aufgabe bewaeltigt. Sie sind im Laufe des europaeischen Migrationsprozesses neben der Beibehaltung der eigenen religioesen und kulturellen Identitaet, auch ein verlaesslicher Bestandteil der einheimischen Gesellschaft geworden.

Diejenigen, die mit dem Begriff Integration von vornherein die Forderung nach einer Assimilierung der muslimischen Einwanderer verbunden haben, werden die Frage nach der Eingliederung in die deutsche Gesellschaft sicherlich anhand des vorhandenen Befundes negativ beantworten. Wird unter diesem Begriff jedoch das verstanden, was er eigentlich beschreibt, naemlich einen Prozess, dem die Beibehaltung der jeweils eigenen Religion und Kultur implizit ist, dann duerfte unzweifelhaft feststehen, dass die Integration faktisch vollzogen worden ist, ohne dass es in den europaeischen Gesellschaften dafuer ein aehnliches oder auch nur ein annaeherndes Beispiel gaebe.

Die zur Zeit vorhandenen Probleme der muslimischen Einwanderer in Deutschland oder in den anderen europaeischen Laendern sind Folge einer bewussten oder unbewussten Ausgrenzungspolitik. Die Ausgrenzung ist allerdings nicht nur infolge falscher Konzeptionen im Bereich der Auslaenderarbeit der Parteien und der Behoerden entstanden. Auch die gesellschaftlich relevanten Institutionen, die Kirchen und nicht zuletzt die Gewerkschaften haben zur Entwicklung des Fremdbildes(!) in erheblichem Mass beigetragen, obwohl es eigentlich ihre Aufgabe gewesen waere, integrierend zu wirken. Eine extrem schwache Position haben in dieser Frage auch die Regierungen der Herkunftslaender eingenommen. Fuer sie waren machtpolitische Interressen immer wichtiger als die migrationspolitischen Probleme ihrer Buerger im Ausland. Sie sahen in den Einwanderern vordergruendig eine Quelle fuer dringend notwendigen Devisen fuer den Bedarf ihrer Zentralbanken bzw. zur Abtragung der enorm gewachsenen Staatsverschuldung im Ausland.

Obwohl die Einwanderer heute in der dritten Generation hier leben, arbeiten, Sozialabgaben und Steuern zahlen, werden ihnen gleichwohl alle Buergerrechte vorenthalten. Die meisten Politiker neigen dazu, die Probleme einer Gruppe in der Bevoelkerung zu ignorieren, die nicht an Wahlen teilnehmen darf und schliesslich fuer ihre politische Arbeit nichts bringt. Nach fuenfunddreissig Jahren stetiger Einwanderung weigern sich die verantwortlichen Politiker entgegen allen wissenschaftlichen Erkenntnissen immer noch anzuerkennen, dass Deutschland schon sehr lange ein Einwanderungsland geworden ist.

Angesichts des wachsenden Rassismuses, der vor brutaler Gewalt nicht zurueckschreckt, stehen wir heute als Gesamtgesellschaft vor einer Herausforderung, die nuechtern betrachtet, die europaeische Zivilisation und Kultur wieder in Frage stellt - und das vier Jahrzehnte nach dem Naziterror. Neben der Erforschung der sozio-politischen Grundlagen dieser neuen rechtsradikalen Tendenzen muessen wirksame Massnahmen zur Abwehr der Gewalt und zum Schutz der gefaehrdeten sozialen und ethnischen Gruppen getroffen werden. Diese Massnahmen koennen nur mit vereinten Kraeften und gemeinsamen Anstrengungen von allen friedensliebenden Menschen bewaeltigt werden.


Verbandsgeschichte

Ende der sechziger Jahre entstanden in Deutschland die ersten Behelfsmoscheen, die in den Massenmedien oft als sogenannte Hinterhofmoscheen bezeichnet worden sind. Parallel dazu wurden auch die ersten muslimischen Gemeinden formal als Vereine gegruendet. Die erste Milli Goerues-Organisation enstand als eingetragener Verein im Jahre 1972 in Braunschweig unter dem Namen "Tuerkische Union Deutschland e.V.". Als der Bedarf nach einem groesseren Zusammenschluss sichtbar wurde, kam es am 22. November 1976 in Koeln zur Begruendung der "Tuerkischen Union Europa e.V.". Erster Generalpraesident der Religionsgemeinschaft war Dr.Yusuf Zeynelabidin aus Hueckeswagen.

Um die Zugehoerigkeit der Religionsgemeinschaft zur weltweit vorhandenen islamischen Ummah zu unterstreichen, ist die Gemeinschaft am 22. Oktober 1983 in "Islamische Union Europa e.V." umbenannt worden. Das am 21. September 1978 unter dem Vorsitz des Juristen Muhammad Rassoul in Koeln gegruendete "Islamische Zentrum Koeln e.V." uebernahm in dieser Zeit einen wichtigen Teil der internationalen Aktivitaeten der Religionsgemeinschaft in der Diaspora und ergaenzte damit die vielfaeltige Arbeit der "Islamischen Union Europa e.V.".

Inzwischen war die Religionsgemeinschaft in der Oeffentlichkeit weitgehend unter der Bezeichnung "Milli Goerues" bekannt geworden. Gleichzeitig war die Gemeinschaft mit ihrer besonderen religioesen Ausrichtung in der gesamten islamischen Welt zu einem Begriff geworden. Selbstverstaendlich repraesentierte die Religionsgemenschaft die sunnitisch-hanafitische Rechtsschule des Islam, die sich ihrer Mitgliederstruktur entsprechend, der Oeffentlichkeit praesentierte.

Gleichzeitig wurde jedoch in der Verhaltensweise der Gemeinschaftsgremien grosser Wert darauf gelegt, die anderen Rechtsschulen - wie die schafiitische, malikitische und hanbelitische - gleichberechtigt zu behandeln. Der Umgang mit Angehoerigen der wichtigen schiitischen Rechtsschule des Imam Dschafar war fuer die meisten Mitglieder unproblematisch. Auch die unterschiedlichen Nationalitaeten waren fuer die Zusammenarbeit der Muslime kein Hindernis, da fuer die Muslime der Islam als verbindendes und verbindliches Element gemeinsam ist. Deshalb konnte die Gemeinschaft fuer Tuerken, Kurden, Araber, Tscherkesen, Georgier, Mazedonier, Deutsche, Franzosen und andere Muslime unterschiedlicher Nationalitaet zur religioesen Heimat werden.

Aufgrund der stetigen organisatorischen Entwicklung und Neuordnung der Religionsgemeinschaft entstand die Notwendigkeit zur Begruendung einer neuen Gemeinschaft mit dem Namen "Milli Goerues". Am 20. Mai 1985 entstand so unter dem Vorsitz des Theologen Osman Yumakogullari die "Avrupa Milli Goerues Teskilatlari" - (Vereinigung der neuen Weltsicht in Europa e. V.) in Koeln.

Auf dem 11.Generalkongress der AMGT am 3. Juni 1995 in Frankfurt/M. hat die "Europaeische Moscheebau und -unterstuetzungsgemeinschaft e.V." (EMUG) die Rechtsnachfolge der AMGT angetreten. Die EMUG verwaltet die Immobilien der ehemaligen AMGT.

Die neugegruendete "Islamische Gemeinschaft Milli Goerues e.V." (IGMG) uebernahm die religioesen, sozialen und kulturellen Aufgaben der Gemeinschaft.


Verbandsstruktur

Die Islamische Gemeinschaft Milli Goerues ist heute mit 34 Gebietsvereinigungen eine weltweit organisierte Religionsgemeinschaft. Sie ist ueberwiegend in Europa vertreten und betreut hier ca. 35.392 Mitglieder in religioesen, kulturellen und sozialen Arbeitsbereichen. In Deutschland zaehlt die AMGT derzeit 15 Gebietsvereinigungen und 271 Gemeinden, die den 2,7 Millionen Muslimen ihre Dienstleistungen fuer jeden Muslim zugaenglich anbieten. Die Mitgliedsgemeinden und -vereine koennen in der Regel in zwei Gruppen unterteilt werden:

A) Die Gemeinden als IGMG-Zweigstellen, deren Vorstaende vom IGMG-Hauptvorstand ernannt werden und die in ihrer Rechtsfaehigkeit nach aussen hin in einem gewissen Umfang eingeschraenkt sind. Die rechtliche Vertretung ueber diese Gemeinden wird vom IGMG-Hauptvorstand wahrgenommen.

B) Selbstaendige Foederationen, Gemeindezentren und Vereine, die eigenverantwortlich als Mitgliedsinstitutionen der IGMG-Religionsgemeinschaft angehoeren.

Die Gebietsvereinigungen sind foederativ geordnet. Das hat dazu gefuehrt, dass "Islamische Foederationen" in nahezu allen Bundeslaendern der Religionsgemeinschaft IGMG angehoeren. Die Foederationen gestalten ihre Arbeit selbstaendig im Rahmen der gemeinsam verabschiedeten Gemeinschaftsprogramme der IGMG. In den weltweit 566 Gemeindezentren werden im religioesen, kulturellen und sozialen Bereich religioese Veranstaltungen, Aktivitaeten und Dienstleistungen von der IGMG angeboten.

Die Vorstaende der Gemeindezentren, der Vereine und der Initiativgruppen sind verwaltungsmaessig als oertliche IGMG-Vertretungen den Gebietsvorstaenden angegliedert. In monatlichen Regionalenversammlungen werden die Aktivitaeten dieser Ortsvertretungen koordiniert. Die Gebietsvorstaende werden durch ihre Vorsitzenden im Senat der IGMG vertreten, der sich aus dem erweiterten IGMG-Vorstand und den Vorsitzenden der Gebietsvorstaende zusammensetzt. Dieses Gremium kommt monatlich zu Beratungen zusammen und koordiniert die gesamte Taetigkeit des IGMG-Dachverbandes.

Die IGMG-Vorstaende sind von der Gemeinschaftsspitze bis in die oertlichen Gemeindezentren in die folgenden Aufgabenbereiche aufgeteilt:

  1. Organisation
  2. Bildung
  3. Verwaltung
  4. Rechtswesen
  5. Jugend
  6. Studenten
  7. Frauen
  8. Oeffentlichkeitsarbeit
  9. Rechnungswesen
  10. Pilgerfahrt
  11. Buechervertrieb und so weiter.
  12. Publikationswesen
  13. Aussenbeziehungen
  14. Sozialwesen


Die Taetigkeit des IGMG-Zentrums

Veranstaltungen, Programme, Periodika und Dienstleistungen


Bildungsbereich

Die Bildungsarbeit des IGMG-Religionsgemenschaft nimmt eine zentrale Rolle in den Aktivitaeten der IGMG ein. Zur Erfuellung dieser wichtigen Aufgabe werden folgende Bildungsveranstaltungen angeboten:


Rechtswesen

Die zugewanderten Muslime benoetigen infolge der Besonderheit ihrer gesellschaftlichen Situation aus folgenden Gruenden eine intensive Rechtsbetreuung:

Die IGMG-Mitgliedsgemeinden und Vereine werden auf folgenden Rechtsgebieten betreut:

Die Rechtsabteilung leistet neben ihrer Rechtshilfe fuer IGMG-Mitgliedsgemeinden und Vereine auch hilfsbeduerftigen Privatpersonen Rechtshilfe. Rechtshilfe fuer Privatpersonen wird in folgenden Bereichen geleistet:


Veranstaltungen und Programme

Die IGMG-Gemeindezentren werden von den Muslimen regelmaessig besucht, wobei die Besuchszeiten je nach Ausstattung und Moeglichkeit nicht nur an Gebetszeiten gebunden sind. Fuer die meisten Muslime ist das Gemeindezentrum ein Ort der Kommunikation und Begegnung mit anderen Muslimen.


A. Religioes


B. Kulturell

Jaehrlich findet eine zentrale Buecherausstellung mit der Beteiligung von ca. 80 Verlagen und ca. 5 000 Titeln statt.
Ausserdem finden zehn weitere Regionalausstellungen statt.


C. Sozial


Frauenarbeit

Fuer Aktivitaeten der Frauen sind 338 Vereine fuer Frauenarbeit in die Verbandsstruktur der AMGT als eigenstaendige Organisationen integriert. Neben der Teilnahme an den allgemeinen Programmen der IGMG organisieren die Frauen eine Reihe von Veranstaltungen, die nur fuer Frauen vorgesehen sind. Diese Veranstaltungen sind folgender Art:


Jugendarbeit

Die Jugendlichen sind in 535 Vereinen als eine sehr aktive Teilorganisation europaweit taetig. Die Jugendprogramme und -veranstaltungen sind:


Studentenarbeit

Als Hochschulorganisation der IGMG sind 55 Hochschulgruppen europaweit fuer die Probleme der Studenten taetig. Auf dieser Ebene werden ca. 3000 ueberwiegend tuerkische Studenten organisiert. Die Hochschulvertretungen der IGMG haben den wichtigsten Teil der gesellschaftlichen Dialogtaetigkeit uebernommen. Die Studentenabteilung gibt in tuerkischer Sprache eine Zeitschrift mit dem Namen IGMG Ueniversiteteliler Baskanligi Buelteni heraus.
Dienstleistungen fuer Studenten:

Neben 26 Sportvereinen sind noch viele andere Vereine wie Elternvereine, Buergerinitiativen, Musikgruppen mit IGMG kooperativ verbunden.


Wichtige Veranstaltungen

Konferenz der europaeischen Muslime

Diese zentralen Veranstaltungen des europaeischen Islam gewinnen immer mehr an Bedeutung. Als die erste Konferenz im Jahre 1987 in Rotterdam/Niederlande durch die Organisation der Religionsgemeinschaft "Islamische Foederation in den Niederlanden" stattfand, wurde den Muslimen in Europa bewusst, wie wichtig die Eroerterung der vielfaeltigen gemeinsamen Aufgaben, Standpunkte und Probleme ist.

Obwohl in Europa 32,5 Mio. Muslime leben, ist ihre gesetzliche und rechtliche Situation sehr unbefriedigend. Die meisten Muslime verfuegen nicht einmal ueber die Staatsbuergerschaft der europaeischen Laender in denen sie seit Jahrzehnten leben. Auch sind die rechtlichen Moeglichkeiten der islamischen Religionsgemeinschaften europaweit stark eingeschraenkt.

Die Probleme der Muslime in Europa konzentrieren sich im allgemeinen auf folgende Gebiete:


Konferenz "Islam und Diaspora"

Diese Konferenz steht fuer einen Dialog zwischen dem Westen und den islamischen Laendern. Der Dialog soll hierbei auf einer wissenschaftlich-politischen Ebene mit weltweit bekannten Experten gefuehrt werden. An der letzten Konferenz im Internationalen Kongress-Zentrum in Berlin waren im Januar 1992 Persoenlichkeiten wie Prof.Dr.Necmettin Erbakan, Prof.Dr.Udo Steinbach und Prof.Dr.Volker Nienhaus beteiligt. Sie diskutierten gemeinsam darueber, wie die Spannungen zwischen den islamischen Laendern und dem Westen abgebaut und wie neue Wege des Dialogs erschlossen werden koennen.


Zeitschriften und Veroeffentlichungen

Eine Reihe von IGMG-Mitgliedsgemeinden geben regelmaessig oder unregelmaessig Zeitschriften in tuerkischer Sprache heraus.

Milli Goerues & Perspektive

Die IGMG gibt seit Januar 1995 in tuerkischer und deutscher Sprache eine Zeitschrift mit dem Namen "Milli Goerues & Perspektive" heraus. Sie informiert ueber die Aktivitaeten der IGMG und ueber die islamische Gemeinschaft in Deutschland bzw. Europa.


Internationale Beziehungen und Zusammenarbeit mit anderen Organisationen und Gemeinschaften

Die IGMG unterhaelt weltweite Beziehungen zu staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen und Einrichtungen.
Die Beziehungen zur Tuerkei sind wegen der Mitgliederstruktur der IGMG sehr wichtig. Deshalb werden zu Veranstaltungen der IGMG neben Organisationen und Institutionen auch alle politischen Parteien aus der Tuerkei und anderen Laendern eingeladen.


Mitgliedschaften

Islamrat fuer die Bundesrepublik Deutschland

Um die verbandsuebergreifende Koordination der Taetigkeit von nichtstaatlichen islamischen Gemeinschaften zu ermoeglichen, wurde in 1986 in Berlin der Islamrat fuer die Bundesrepublik Deutschland gegruendet.
Der Islamrat als Zusammenschluss von islamischen Gemeindeverbaenden ist als rechtliches und gesetzliches Vertretungsorgan der Muslime in Deutschland in die Verbaendeliste beim Bundestag eingetragen. Er ist bei Hearings im vorparlamentarischen Raum vertreten.
Im Islamrat sind Gemeinschaften Mitglied, die integrationsfoerdernd, gesellschaftsoffen, dialogorientiert und tolerant sind. Gleichzeitig vertreten die Muslime im Islamrat ein Gesellschaftsmodell, das auf die multikulturellen und pluralistischen Elemente des Islam nicht verzichten kann.
Die IGMG ist seit 1991 Mitglied des Islamrates, dem seit November 1995 Besir Say aus Hamburg vorsteht. Gewaehlter Vorsitzender der Geistlichen Verwaltung des Islamrats ist seit November 1995 Suekrue Bulut aus Koeln. Er traegt den religioesen Titel Schaikh ul-Islam.


Rat der tuerkischen Staatsbuerger in der Bundesrepublik Deutschland

Im Fruehjahr 1992 kamen die tuerkischen Organisationen in Frankfurt zusammen, um ein Gremium zu bilden, das sich um die Belange der tuerkischen Staatsbuerger in Deutschland bemuehen soll. Mit Zustimmung der meisten tuerkischen Organisationen wurde schliesslich der Rat der tuerkischen Staatsbuerger in der Bundesrepublik Deutschland (RTS) gegruendet. Der Rat wird als eingetragener Verein von einem Vorstand repraesentiert. Ihm wurden folgende Aufgabenbereiche zugewiesen:

Der Vorstand der RTS befindet sich bei der Tuerkisch-Deutschen Gesundheitsstiftung unter Leitung von Priv.Doz.Dr.Yasar Bilgin in Giessen.


Der interkulturelle und interreligioese Dialog

Die meisten Konflikte in der Welt entstehen infolge des Mangels an Dialog zwischen den unterschiedlichen Religionen und Kulturen. Viele Menschen sind gegenueber unbekannten Kulturen und Religionen aengstlich. Obwohl diese Aengste zumeist unbegruendet sind, muessen sie durch intensive Dialogprogramme und Informationsveranstaltungen ueberwunden werden. Es ist fuer das Zusammenleben von Menschen in Eintracht und guter Nachbarschaft wichtig, mit Hilfe von Dialogveranstaltungen, gemeinsam begangenen Festen und Feiern, das gegenseitige Kennenlernen zu foerdern. Um diese gesellschaftlichen Ziele zu erreichen, finden eine Reihe von Veranstaltungen statt, die oft mit anderen gesellschaftlichen Institutionen gemeinsam durchgefuehrt werden.


Integration

Die gesellschaftliche Integration der Muslime in Europa ist ein Pruefstein fuer die Entwicklung der politischen Kultur in Europa. Es gibt kaum einen soziologischen Begriff, unter dem die Menschen so unterschiedliche Dinge verstehen wie unter dem Begriff "Integration".

Die Muslime jedenfalls verstehen darunter keinesfalls Assimilation oder gar eine wie auch immer geartete Germanisierung. Das Integrationsverstaendnis der Muslime geht vielmehr von einer multikulturellen Gesellschaftsform aus. In dieser Gesellschaft leben mehrere Kulturen und Religionen gleichberechtigt miteinander. Sie alle sind Bestandteil dieser Gesellschaft, die sie gemeinsam praegen bzw. von der sie gemeinsam gepraegt werden.

Die Muslime sind mit allen Rechten und Pflichten integrierter Bestandteil dieser Gesellschaft, wobei sie ihre islamische Religion und Kultur als ihr genuines und praegendes Element beibehalten. Sie wollen keine vertikale oder parallele Gesellschaft bilden. Eine Weiterfuehrung des Integrationsprozesses ist natuerlich nicht von einem Teil der Gesellschaft allein zu bewaeltigen. Weder die Muslime allein koennen sich erfolgreich weiterintegrieren, noch kann die uebrige Gesellschaft die Muslime ohne ihre Mitarbeit integrieren. Deshalb muss die Integration von allen gesellschaftlichen Kraeften gewollt und getragen werden. Sie bedarf zudem eines breiten Konsensus. Die IGMG ist bereit, zu einer solchen Integration gemeinsam mit allen anderen gesellschaftlichen Gruppierungen wie bisher ihren Beitrag zu leisten.


Zusammenleben von Muslimen, Christen, Juden und Andersdenkenden

Ueberlegungen und Vorstellungen der IGMG zu bestimmten Fragen


A. Fragen zur Religion

1. An wen richtet sich die islamische Religion? Wer alles wird angesprochen? Gibt es in den heiligen Schriften der islamischen Religion Hinweise fuer Angehoerige einer bestimmten Nationalitaet, Kultur, eines Geschlechts und fuer Angehoerige eines anderen Glaubens?

Der Islam richtet sich an alle Menschen, unabhaengig von Nationalitaet, Hautfarbe, Herkunft und Kultur.

2. Hat die islamische Religion einen exklusiven Wahrheitsanspruch?

Natuerlich. Der Islam hat einen exklusiven Wahrheitsanspruch, wie die vorangegangenen Offenbarungen an die Propheten Abraham, Moses und Jesus. Der Islam versteht sich als Abschluss der goettlichen Offenbarung und der monotheistischen Botschaft. Der Koran steht in der Kontinuitaet der einen Offenbarung des einen Gottes mit zeitgemaess angepassten Veraenderungen an die menschlichen Beduerfnisse. Dieser Anspruch ist immer existent.

3. Sind Muslime davon ueberzeugt, dass der Islam nicht der Vernunft widerspricht? Weist der Glaube der islamischen Religionsgemeinschaft die Glaeubigen an, die Wahrheitslehre wissenschaftlich/vernunftsmaessig zu begruenden?

Wir sind davon ueberzeugt, dass die Lehren und Inhalte des Islam der Vernunft nicht widersprechen. Es besteht eine eindeutige Aufforderung, die Lehren nicht dogmatisch, sondern durch nachvollziehbar einleuchtende Kriterien zu begruenden, so dass auch Nichtmuslime vernunftsmaessig oder logisch ihren Sinn nachvollziehen koennen. Der Islam kann nicht auf die wissenschaftliche und vernunftsmaessige Begruendung der religioesen und weltlichen Inhalte verzichten.

4. Welchen Stellenwert haben fuer Muslime Werte wie Keuschheit, Aufrichtigkeit, Mut, Tatkraft, Entschlusskraft, Bescheidenheit, Friedfertigkeit, Geduld, Genuegsamkeit, Loyalitaet? Ist einer der genannten Begriffe von besonderer oder geringerer Bedeutung?

Diese Werte sind gleich wichtig und unverzichtbar fuer ein optimales Zusammenleben der Menschen. Verantwortungsbewusstes Handeln muss darauf ausgerichtet sein, diese Werte zu foerdern und zu verbreiten. Dieser Aufzaehlung koennen sicher noch eine Reihe weiterer Tugenden hinzugefuegt werden. Dabei ist es situationsabhaengig, welche die aktuell ausschlaggebendere ist. Damit diese Begriffe einen Wert und eine Aussagekraft bekommen, muessen sie mit weiteren Tugenden wie Gottesfurcht, Gottergebenheit, Froemmigkeit und Gottvertrauen verbunden werden. Zum Inhalt der islamisch-ethischen Terminologie gehoeren zudem elementare Tugenden wie Toleranz, Dialogbereitschaft und Respekt gegenueber anderen Religionen und Kulturen.

5. Kann die islamische Religion losgeloest von Traditionen und historischen Entwicklungen gesehen werden? Inwieweit gibt es in der islamischen Religion missverstandene Traditionen, die als religioese Gesetze interpretiert werden und in Konflikt mit weit verbreiteten deutschen Normen geraten?

Der Lehre des Islam liegen Koran und Sunna zugrunde. Sie wurde in der Geschichte in einigen Punkten kodifiziert, systematisiert und weiterentwickelt. Diese Lehre ist fuer Muslime verbindlich. Unabhaengig davon existieren sicherlich sehr viele geographisch unterschiedliche Braeuche und Traditionen, die vielfach von der Lehre her nicht begruendet werden koennen, die vielmehr mit ihr im Widerspruch stehen. Ebenso wie es falsch ist, Traditionen als Teil der Lehre zu betrachten, ist es falsch, Teile der Lehre als Tradition anzusehen. Die Lehre bleibt in ihrem Kerngehalt immer gleich. Insbesondere im Rechtswesen hat es im sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen und technischen Bereich entsprechend auch vielfaeltige Veraenderungen gegeben und Entwicklungen, die dem gesellschaftlich-technologischen Fortschritt Rechnung tragen.
Die Inhalte der islamischen Religion werden nicht von Traditionen bestimmt. Folglich kann es auch keine missverstandenen Traditionen geben. Traditionen sind zumeist eng mit gesellschaftlichen Entwicklungsprozessen verbunden und vermoegen auf diese Weise die jeweilige Gesellschaft zu praegen. Unkenntnis der Lehre fuehrt dazu, die Dinge, die eigentlich zur Tradition gehoeren, fuer einen Teil der Lehre zu halten oder umgekehrt. Das gilt auch fuer Konflikte mit den Normen anderer Kulturen. Diese Missverstaendnisse koennen jedoch durch Aufklaerung korrigiert werden.

6. Was ist den Anhaengern der islamischen Religionsgemeinschaft gemeinsam? Was ist gemeinsamer inhaltlicher Gegenstand des Glaubens?

Uns eint der Glaube an den einigen und einzigen Gott - sein Name wird im Koran mit Allah ueberliefert -, der Glaube an die Existenz der Engel, an die geoffenbarten Buecher, an die Propheten Gottes von Adam bis auf Mohammad (s.a.s.), die Gewissheit des Juengsten Gerichts und der Auferstehung sowie an die Vorherbestimmung und damit an die goettliche Vorsehung. Uns eint weiter der Glaube daran, dass Gott die Macht ueber alles Gute wie auch ueber alles Schlechte hat.


B. Fragen zum Verhaeltnis des Islam zu den anderen Religionen

1. Was ist den Muslimen mit den Angehoerigen der anderen Religionsgemeinschaften gemeinsam?

Mit den monotheistischen Religionen sind den Muslimen der Glaube an Gott, an die Engel, die Offenbarung, das Prophetentum und der Glaube an Auferstehung und Gericht sowie viele ethische Normen gemeinsam. Mit anderen Religionen, wie etwa mit dem Budhismus, sind uns die Fitra (Almosen) und auch einige ethische Normen gemeinsam.

2. Welchen Stellenwert billigt die islamische Religion anderen Glaubensgemeinschaften zu? Gewaehrt der Islam anderen Religionen und deren Anhaengern Rechtsautonomie?

Monotheistische Religionen, deren Existenz auf eine dem Islam bekannte Offenbarungsschrift zurueckgefuehrt werden kann, werden als "Ehl-i Kitab " (Schriftbesitzer) betrachtet. Dieser Begriff fuehrt vor allem im Recht zu einer differenzierten Wahrnehmung der anderen monotheistischen Religionen. Die Rechtsstandpunkte, die auf die "Ehl-i Kitab" Anwendung finden, sind meistens mit denen identisch, die auch fuer die Muslime gelten. Der Islam beispielsweise steht einer Tisch- oder Ehegemeinschaft mit den Monotheisten offen gegenueber. Nichtmuslimische Mitglieder einer Gesellschaft, die nach islamischen Grundsaetzen organisiert worden ist, geniessen dieselben uneingeschraenkten Buergerrechte wie die Muslime. Im Verlauf der Geschichte wurden nicht-muslimischen Mitbuergern gelegentlich Buergerpflichten erlassen, wie etwa die Wehrpflicht. Auf diese Weise sollten Konflikte, zum Beispiel bei den Christen, vermieden werden.
Nach islamischer Lehre erhalten Christen und Juden Rechtsautonomie. Da diese Frage jedoch in unserer heutigen Situation, in der wir Muslime als Minderheit in einer nichtislamischen Gesellschaft leben, ohne realen Bezug ist, eruebrigen sich naehere Eroerterungen.
Selbstverstaendlich nimmt der Islam eine Abstufung im Blick auf das jenseitige Heil vor. Die Begriffe, die zur Beschreibung des "Anderen" verwendet werden, dienen a) zur sprachlichen Deskription des Anderen und b) zur Abstufung selbst. Diese Begriffe sollten jedoch keinesfalls dazu fuehren, dass der "Andere" buergerlich einen anderen Status hat oder eine andere Behandlung erfaehrt als der Muslim.
Der Islam konkretisiert eine ganze Reihe von Anspruechen, die an einen Muslim gestellt werden koennen: als Mensch, als Nachbar, als Teil der Gemeinschaft, als Handelspartner, Zeuge, Richter und so weiter.
An bestimmten Stellen vermittelt der Koran bestimmte Verhaltensmuster fuer den Umgang mit Menschen anderer Bekenntnisse. Diese Anweisungen beziehen sich sowohl auf die Selbstdarstellung des Muslims (als Glaubenszeuge) als auch auf den Dialog, die Begegnung mit Menschen anderen Glaubens. Auch ueber die Art und Weise des Dialogs, mit seinen Intentionen und seinen Methoden, finden sich im Koran die Rahmenbedingungen (vergl.: zum Beispiel Koran: 16:125)
Gegenueber den polytheistischen Religionen und den "Nichtglaeubigen" versteht sich der Islam als Verkuender des genuinen Monotheismus. In der Begegnung mit den Offenbarungsreligionen (Christentum und Judentum) versteht er sich dagegen als Aufklaerung und als die von Gott auserwaehlte Lebensform nach der Zeit des Propheten Muhammad.

3. Koennen Muslime akzeptieren, dass der Islam und das Christentum in ihrer Moral gleichwertig sind? Koennen Muslime akzeptieren, dass beide Religionen letztlich zu Gott/Allah fuehren?

Diese Frage ist teilweise schon (siehe Frage 2) beantwortet. Nach islamischer Auffassung fuehren nicht die Religionen zu Allah, sondern es ist ausschliesslich Allah selbst, der Menschen den Weg weist.
Es existieren sicherlich sehr diskrepante Theoriebildungen ueber die Moral. Aber Moral ist etwas Verbindliches, das sich nicht nur transzendent begruenden laesst, sondern auch durch seine gesellschaftliche Funktion. Auf diese Weise ist ueber die Religionen und Bekentnisse hinweg eine Verstaendigung ueber die richtige und notwendige Morallehre durchaus moeglich.

4. Gibt es im Islam einen Missionsauftrag ? Ist die Missionierung von Andersglaeubigen Ziel oder heilsrelevant? Gibt es einen Dialogauftrag im Koran? Was meinen die Muslime ueber die Frage, dass sich Christen und Muslime grundsaetzlich misstrauen?

Aus dem Ebengesagten folgt, dass der Islam keinen Missionsauftrag im christlichen Verstaendnis kennt, der ja eindeutig auf Bekehrung zielt und damit auf die Herabminderung des Glaubens des jeweils anderen Menschen.
Gleichwohl ist jeder Muslim verpflichtet, fuer den Islam Zeugnis unter den Nichtmuslimen abzulegen. Er soll niemanden im Unklaren darueber lassen, dass er den Islam bekennt. Dagegen ist die Bekehrung eines Menschen zum Islam allein die Sache Gottes. Jeder Mensch hat die Freiheit, die ihm bekanntgewordene Lehre fuer sich anzunehmen oder sie abzulehnen.
Der Koran fordert eindeutig zum Dialog auf. Dabei werden gleichermassen Muslime, Schriftbesitzer und Menschen anderen Glaubens oder Weltanschauung angesprochen. Das Ziel dieses Dialoges soll es sein, die Wahrheit unter Anwendung der Vernunft im gemeinsamen Gespraech zu finden.
Wir glauben nicht, das Christen und Muslime sich grundsaetzlich misstrauen muessen. Der Islam jedenfalls hat ueber Jahrhunderte dazu beigetragen, ein friedliches und konstruktives Miteinander von Muslimen und Schriftbesitzern zu ermoeglichen. Hierfuer wurden Grundlagen geschaffen, die geeignet waren, das gegenseitige Vertrauen zu foerdern wie Rechtsklarheit, und Verfasstheit in den Beziehungen zu anderen Religionsgemeinschaften.


C. Verhaeltnis des Islam zu Staat und Gesellschaft

1. Macht die islamische Religion konkrete Vorgaben zur Gesellschaftsordnung, insbesondere in den Bereichen Wirtschaft, Politik, Religion, Wissenschaft, Forschung und Bildung? Wie verpflichtend ist deren Charakter?

Der Islam macht in diesem Bereich konkrete Vorgaben. Diese sind dort besonders konkret, wo es sich um einen Sachverhalt handelt, der unabhaengig von Umstaenden und Entwicklungen der Weltgeschichte kaum Veraenderungen unterworfen ist, wie z. B. die Zinswirtschaft. Sie wird immer Unrecht sein. Deshalb verbietet der Islam im Bereich der Wirtschaft die Zinsnahme eindeutig. Auch fuer andere Bereiche sind grundsaetzliche Prinzipien mit maximalem Verpflichtungscharakter massgebend.

2. Ist die islamische Religion offen fuer eine multikulturelle Gesellschaft, bzw. kann eine Gesellschaft, wenn man sie nach den Richtlinien des Islam gestaltet, eine multikulturelle Gesellschaft sein?

Der Islam ist eine Offenbarungsreligion, die sich an die gesamte Menschheit richtet. Eine Gesellschaft, die sich an den islamischen Grundsaetzen orientiert, ist grundsaetzlich nicht auf eine bestimmte Rasse, ein Volk, eine Kultur oder eine Religion ausgerichtet. Alle islamischen Gesellschaften, die ueber groessere Zeitraeume bestanden haben, waren heterogene Gesellschaften in den zuvor genannten Dimensionen. Man denke an Andalusien, Madina, Maghreb, Indien, Osmanisches Reich, und so weiter.
Ist nach islamischer Vorstellung als Christ/Muslim eine tolerante und friedliche Welt des Zusammenlebens moeglich? Gibt es ein Ziel, zu dem auch die islamische Religion beitragen kann und soll?
Wir glauben schon, dass eine friedliche Welt des Zusammenlebens moeglich ist. Das ist das Ziel fuer alle Menschen guten Willens. Der Islam kann dazu beitragen, denn nach unserer Auffassung ist die konsequente Anwendung islamischer Prinzipien auch der einzige Weg zur Verwirklichung dieses Ziels.

3. Gibt es einen Auftrag im Islam zum Kampf gegen Unrecht? Wie ist die Einstellung des Islam zur Gewalt? Wann darf Gewalt angewendet werden? [Staatsgewalt (zum Beispiel Todesstrafe) und Widerstand (z.B: Ziviler Ungehorsam)].

Der Kampf gegen Unrecht und Unterdrueckung ist fuer jeden Muslim zur Pflicht gemacht worden. Wer Unrecht begeht, in welcher Position auch immer, auch als Herscher, darf nicht aktiv oder passiv unterstuetzt werden. Man darf ihn auch nicht gewaehren lassen. Denjenigen, der Unrecht unterstuetzt oder es zulaesst, trifft die gleiche Schuld, wie den Unterdruecker selbst. Gewalt darf vom Einzelnen nur angewendet werden, wenn dadurch noch groesserer Schaden verhindert werden kann; zum Beispiel Selbstverteidigung, Notwehr und so weiter. Gewalt darf vom Einzelnen angewendet werden, um Unrecht zu verhindern. Dieses alles wird jedoch nur dann greifen, wenn es keinen Staat gibt, der wirksam die Aufgabe wahrnimmt, Unrecht abzuwehren oder wenn der Staat selbst ungerecht ist. Dabei muss stets das Gebot der Ausschoepfung aller sonstigen Mittel und der Verhaeltnismaessigkeit gewahrt bleiben. Der moeglichen Sachverhalte sind zu viele, um sie an dieser Stelle beruecksichtigen zu koennen. Die Staatsgewalt ist nur dann legitim, sofern der Staat gerecht handelt.

4. Koennen sich Glaeubige der islamischen Religion einer anderen Rechtsordnung unterordnen?

Ja, wenn Rechtssicherheit sowie die Einhaltung der Menschenrechte garantiert sind und wenn die Ausuebung der islamischen Religion frei ist und uneingeschraenkt gewaehrt wird.

5. Koennen Muslime das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland und die deutschen Gesetze akzeptieren?

Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland gewaehrt freie Religionsausuebung und Rechtssicherheit in einem saekularen Rechtsstaat. Nach dem Grundgesetz darf weder ein Muslim noch irgend ein anderer Mensch zu etwas gezwungen werden, was dem eigenen Gewissen oder der eigenen religioesen Ueberzeugung zuwiderlaeuft. Da diese aeusserst wichtigen Gesetze der Menschenrechte erfuellt sind, kann ein Muslim im Geltungsbereich des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland leben. Auf keinen Fall kann ein Muslim aus seiner Glaubensueberzeugung ableiten, er sei berechtigt, Grundgesetze aufzuheben, sie zu bekaempfen oder sie veraendern zu wollen.
Einige Gesetze, die nicht Grundgesetzsrang besitzen, moegen im Widerspruch zu den Lehren des Islam stehen, und werden deshalb fuer nicht gut empfunden, wie beispielsweise die Einkommsbesteuerung. Trotzdem darf hieraus nicht abgeleitet werden, dass diese Gesetze nicht von Muslimen befolgt wuerden. Umgekehrt erlauben die Gesetze Dinge, die im Islam verboten waeren, und verbieten Dinge die im Islam erlaubt waeren. In derartigen Situationen werden die Muslime ihren Standpunkt in den staendigen Diskussionsprozess im Rahmen der freien Meinungsbildung ueber die Gesetzesfortschreibungen einbringen.
Dennoch muss der Hinweis gestattet sein, dass die Verfassungsrealitaet in wesentlichen Punkten, wie etwa bei der Religionsfreiheit, bei koerperlicher und geistiger Unversehrtheit, Unantastbarkeit der Wuerde, elterliches Sorge- und Erziehungsrecht in oftmals ganz erheblichem Ausmass von den Vorgaben des Grundgesetzes abweicht.

6. Erkennen die Muslime heute oder in der Geschichte politisch motivierten Religionsmissbrauch durch muslimische Glaubensanhaenger an und sind Muslime gegebenenfalls bereit, sich damit kritisch auseinanderzusetzen?

Natuerlich ist die Religion im Verlauf der Menschheitsgeschichte immer wieder missbraucht worden. Davon kuenden Vorgaenge in allen Voelkern unserer Erde. Es ist dabei immer sehr schwer festzustellen, ob ein solcher Missbrauch politisch oder persoenlich motiviert war. Aber Missbraeuche sind nicht nur ein Thema der Geschichte, sondern auch eines der Gegenwart. Ihre Analyse ist von enormer Bedeutung.
Als Muslime sind wir jederzeit bereit, uns kritisch dem Thema Religionsmissbrauch zu stellen und uns offen mit ihm auseinanderzusetzen. Wer nicht bereit ist, eigene Fehler einzugestehen, der kann sie auch nicht korrigieren, der ist nicht friedensfaehig.


D. Verhaeltnis des Islam zu den Menschenrechten.

1. Wie definiert der Islam die Menschenrechte?

Der Islam definiert den Menschen als ein Lebewesen, dem vom Schoepfer Wuerde verliehen worden ist. Im Islam gelten alle Menschen als gleichwertig. Im Gegensatz zur uebrigen Welt haben die islamischen Gelehrten schon sehr frueh die vom Koran statuierten Menschenrechte verstaendlich zusammengefasst. Die Menschenrechte nach dieser Formulierung sind:

2. Sind Mann und Frau im Islam gleichberechtigt? [zum Beispiel im Beruf oder in der Ausuebung eines religioesen Amtes]

Mann und Frau sind unterschiedlich strukturiert, aber sie sind gleichwertige Wesen. In einigen Bereichen des islamischen Rechts ist die Verteilung von Rechten und Pflichten allerdings unterschiedlich. Demnach sind Mann und Frau nicht in allen Lebensbereichen gleichgestellt. Verschiedenartige Wesen gleichzustellen hiesse, in bestimmten Situationen dem einen oder anderen Partner unrecht zu tun. Die Berufsausuebung ist frei fuer Mann und Frau. Da es im Islam keine religioesen Aemter gibt, eruebrigt sich die Diskussion ueber diese Frage.


E. Erwartungshaltung gegenueber der anderen Religion

1. Was kann, muss der Staat tun, um das Zusammenleben von Christen und Muslimen in gegenseitiger Achtung zu foerdern?

In einer islamischen Ordnung werden alle notwendigen Menschenrechte und Freiheiten verwirklicht. Dem Staat kommt die Aufgabe zu, sie zu schuetzen und ihre Wahrnehmung allen Buergern zu ermoeglichen.
Wir Muslime werden uns immer gegen Unrecht wenden und stets fuer Menschen eintreten, denen die elementaren Rechte und Freiheiten vorenthalten werden. Das gilt auch fuer Menschen, die in Bedraengnis oder Not geraten sind.
Der Staat sollte sich bemuehen, alle Diskriminierungen, die entweder von ihm selbst ausgehen oder auf die er als Ordnungsmacht Einfluss ausueben kann, einzustellen. Hier sei als Beispiel der auslaenderfeindlichkeitsfoerdernde Kopftuchstreit genannt. Ferner sollte er fuer alle Politikbereiche auslaendische Mitarbeiter gewinnen, und zwar jeweils nach Anteil ihrer Gruppe an der Bevoelkerung. Dieses sollte vor allen in den Bereichen gelten, in denen Muslime involviert sind: Kindergarten, Krankenhaeuser und so weiter. Der Staat sollte aber vor allem wesentlich staerker und engagierter als bisher in Kontakt mit den muslimischen Dachverbaenden treten.

2. Wissen uebereinander. Wo sehen die Muslime ihre Religion am meisten missverstanden?

Wir sind sicher, dass der Islam nicht in einem etwa bedeutenden Umfang missverstanden werden koennte. Wenn Menschen oder Systeme einander kennen- und verstehenlernen wollen, dann bedarf es zum einen einer Motivation dazu und zum anderen eines ernstgemeinten Verstaendigungsversuchs. Verlaeuft ein solches Verfahren fehlerhaft, dann kommt es zwangslaeufig zu Missverstaendnissen.
Nun gehen wir Muslime davon aus, dass es weder in der Vergangenheit noch gegenwaertig solche Bemuehungen gegeben hat oder gibt, an dessen Ende Missverstaendnisse gestanden haetten oder stuenden. Vielmehr glauben wir, dass eine Reihe von historischen Vorurteilen und neuen Vorurteilen existieren, die in den vergangenen Jahren recht wirksam durch die modernen Massenmedien verbreitet worden sind. Wir glauben ferner, dass mit der willentlichen und bewussten Verbreitung von falschen Berichten ueber den Islam und mit dem damit verbundenen Schueren von Angst und Vorurteilen bestimmte Ziele verfolgt wurden und werden, die mit Interessen verbunden sind, die nicht im Bereich von Frieden und Annaeherung liegen.

3. Wie koennte man diese Missverstaendnisse beseitigen? Wie koennte man die Vorurteile beseitigen?

Diesen Vorurteilen kann vor allem dadurch begegnet werden, dass den Muslimen in entscheidender Weise Mitbestimmung, Mitsprache und Zugang zu den Medien zugestanden wird mit dem Ziel, ihnen die Selbstdarstellung zu ermoeglichen. Ferner ist nach wie vor Aufklaerung und Information in vielen Bereichen dringend geboten. Nichtmuslime koennten uns dabei helfen, in dem sie sich fuer eine konsequente Ablehnung eines eurozentristischen Weltbildes einsetzen mit dem Ziel, die Motivation zum Verstehen der Muslime zu steigern.

4. Welche Ruecksicht erwarten/gewaehren die Muslime bezueglich der konfessionellen Kindergaerten?

Wir erwarten keine besondere Ruecksicht bei konfessionellen Kindergaerten. Vielmehr glauben wir, dass muslimische Kinder in einen muslimischen und christliche Kinder in einen christlichen Kindergarten gehoeren. Bei besonderer Ruecksichtsnahme und entsprechender Organisation sind gemischte Kindergaerten moeglich. Angesichts der Tatsache, dass es bisher kaum islamische Kindergaerten gibt, stehen wir noch ganz am Anfang einer neuen Entwicklung.

5. Erwarten die Muslime auch den islamischen Religionsunterricht an Schulen?

Die Erteilung eines islamischen Religionsunterrichtes an den oeffentlichen Schulen im Sinne des Grundgesetzes waere sehr zu begruessen, insofern die islamischen Gemeinden und die Eltern daran mitwirken, wie es vom Gesetzgeber vorgesehen ist. Wir bedauern es, dass eine religioese Unterweisung fuer Schueler islamischen Glaubens bisher nur im Rahmen des muttersprachlichen Ergaenzungsunterricht erteilt wird. Diese Situation ist fuer die meisten Eltern nur schwer akzeptabel. Dieser Unterricht verdient zudem die Bezeichnung Religionsunterricht nicht und stoesst bei uns auf schwerste Bedenken.

6. Welche Ruecksicht erwarten/gewaehren die Muslime beim Sportunterricht muslimischer Maedchen?

Wir erwarten, dass muslimische Jungen und Maedchen an einem Sportunterricht teilnehmen, der den Regeln der islamischen Religion entspricht. Wenn dieses nicht moeglich ist, sollten unsere Kinder vom Unterricht befreit werden. Diese Forderung wird durch die gueltigen Gesetze in der Bundesrepublik Deutschland gedeckt. Unser Verhalten hat insofern nichts mit Abkapselung zu tun.

7. Welche Voraussetzungen muessen erfuellt werden, um muslimischen Maedchen eine Teilnahme an Klassenfahrten mit Landschulaufenthalt zu ermoeglichen?

Es muessen folgende Voraussetzungen erfuellt sein:

8. Welche Ruecksicht erwarten/gewaehren die Muslime bezueglich der islamischen Speisevorschriften (Schulmensa)?

Konsequente Erfuellung der islamischen Speisebestimmungen, das heisst Verzicht auf folgende Stoffe oder Zusaetze:

9. Brauchen die Muslime Gebetsraeume in den Betrieben?

In den Betrieben fehlen in erheblichem Ausmass Gebetsraeume sowie Einzelduschen fuer die koerperliche Reinigung der muslimischen Arbeitnehmer gemaess den ethischen Regeln des Islam. Entsprechende Hinweise der muslimischen Betriebsraete oder Antraege, die von muslimischen Arbeitern gestellt werden, finden nur selten Gehoer.

10. Brauchen die Muslime konkrete Unterstuetzung im Ramadan?

Eine spezifische Unterstuetzung, die ueber eine persoenliche Ruecksichtnahme hinausgeht, benoetigen wir eigentlich nicht. Es sollte in diesem Monat etwas grosszuegiger mit den Urlaubsantraegen der muslimischen Arbeitnehmer verfahren werden.

11. Welche Ruecksicht erwarten die Muslime bezueglich des Kopftuchtragens?

(siehe oben) Gewaehrung des Paragraphen 4 Grundgesetz.

12. Welche Ruecksicht erwarten die Muslime bezueglich der islamischen Speisevorschriften (Betriebskantine)?

(siehe oben)

13. Gesundheit. Hier vor allem Mangel an Aerztinnen fuer muslimische Maedchen und Frauen (auch in Krankenhaeusern)

Ein Mangel an muslimischen Aerztinnen und Aerzten ist eindeutig vorhanden (im Bereich der psycho-sozialen Versorgung bestehen erhebliche Defizite). Es sollte auch eine Aufklaerungsarbeit ueber das Verstaendnis von Gesundheit und Krankheit im Islam bei den Pflegekraeften initiert werden.

14. Religioeses Leben. Brauchen die Muslime mehr Moscheen? Sind die Moscheen gross genug?

Allein in Koeln leben ca. 90.000 Muslime, die mehr oder weniger religioes sind. Der Anteil der Muslime, die regelmaessig Moscheen besuchen, ist gross und waechst staendig. Hinzukommt, dass die Moscheen in den vergangenen Jahren immer mehr zusaetzliche gesellschaftliche Funktionen uebernehmen mussten. Dieser Trend setzt sich fort. Das Fassungsvermoegen der Moscheen wird an bestimmten Tagen wie beim Freitagsgebet, an Feiertagen und Festen ueberschritten. In Koeln gibt es derzeit 18 Gebetsraeume. Es muessten fuer den Anfang mindestens acht Moscheen errichtet werden. Es sollten zudem schoene Moscheen sein, mit den klassischen Stilelementen wie Minarett, Kuppel und kunstvolle islamische Ornamentik.

15. Erfahren die Muslime bei der Anmietung, dem Kauf oder der Ausgestaltung von Moscheen bewusste Behinderungen?

Es gibt bislang sehr positive und leider auch negative Erfahrungen in dieser Richtung.

16. Reichen die Begraebnisplaetze fuer die verstorbenen Muslime?

Die Begraebnisplaetze reichen derzeit aus. Unter den tuerkischen und den anderen Muslimen ist es derzeit noch ueblich, die Verstorbenen in die Heimatlaender zu ueberfuehren, um sie dort zu beerdigen. In einigen Staedten gibt es muslimische Begraebnisfelder als Teil der staedtischen Friedhoefe. Aber separate oder private Friedhoefe gibt es nicht, mit Ausnahme des historischen Friedhofs in Berlin.

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