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Sprachlosigkeit macht oft krank

Beratung fuer auslaendische Koelner

Von Barbara A. Cepielik

Ueber mangelnden Zulauf kann sich das fuenfkoepfige Team des Gesundheitszentrums fuer Migranten nicht beschweren: Die Zahl derer, die sich an die Beratungsstelle in der Suedstadt (Corneliusstrasse 2, 50678 Koeln) wandten, hat sich seit der Gruendung im Jahr 1996 verdreifacht. Im vergangenen Jahr suchten 3750 Menschen Rat und Hilfe; mehr als 350 Maenner und Frauen machten in dem Zentrum unter dem organisatorischen Dach des Deutschen Paritaetischen Wohlfahrtsverbandes eine Therapie. Das Markenzeichen der hundesweit einmaligen Einrichtung: Die meisten Beratungsgespraeche werden nicht in Deutsch gefuehrt, sondern in Tuerkisch (rund 60 Prozent) oder Russisch

Urspruenglich war das Gesundheitszentrum gegruendet worden, um Koelnern auslaendischer Herkunft einen Anlaufstelle zu bieten, die das deutsche Gesundheitssystem erklaert und einen Wegweiser zu Therapieformen und Kliniken bietet. Doch diese Auskuenfte machen laengst nicht mehr den Schwerpunkt aus. Arif Uenal, der Leiter des Zentrums, und seine Mitarbeiterinnen wurden schnell zur Anlaufstelle fuer die "schwierigen Faelle" - fuer Migranten, die oft jahre- oder jahrzehntelang durchs Gesundheitssystem vagabundierten, ohne Heilung zu finden: psychisch kranke Zuwanderer, die seit Jahren ergebnislos von Arzt zu Arzt wechselten, weil die Sprachlosigkeit im Wege stand; Zuwandererfamilien. deren Angehoerige mit Suchtproblemen keine Chance bekamen, weil es an Therapeuten mit Tuerkisch- oder Russisch-Kenntnissen mangelt.

Das Zentrum offenbarte schon nach wenigen Monaten seiner Existenz, dass sich fuer Nicht-Deutsche durchaus Luecken in der medizinischen, vor allem aber in der psychotherapeutischen Versorgung auftun. Die meisten der rund 18 Prozent auslaendischer Koelner kommen mit dem System zurecht, der mittlerweile in der dritten Auflage erschienene Wegweiser zu Aerzten mit Fremdsprachenkenntnissen reicht ihnen als Gebrauchsanweisung. Mit dem Zentrum. so Uenal, haben nun auch die uebrigen eine gute Adresse.

Ein Blick in die Statistik ueberrascht: Waehrend bei der tuerkisch-sprachigen Klientel die meisten zehn Jahre und laenger in Koeln leben, sind es bei den russischsprachigen vor allem die Neuankoemmlinge, die psychologische Hilfe brauchen. Divergierend auch die Altersstruktur: Bei den Tuerken bilden die groesste Gruppe die 30- bis 40jaehrigen (40 Prozent), bei den russischsprachigen die Menschen ab 40 bis ins Rentenalter (59 Prozent). Mittlerweile hat das Zentrum erste Selbsthilfegruppen aufgebaut, in denen Tuerkisch die Hauptsprache ist.

Neben Privatleuten wenden sich diverse Institutionen an das Zentrum: Kliniken, Aemter, aber auch tuerkische Vereine oder Gemeinden, die um Vortraege zu den verschiedensten Themen (Drogenpraevention, Familientherapie, Kindererziehung) baten - und sie vom medizinisch-psychologisch geschulten Team auch bekamen.

Es sind oft kleine Dinge, die das multikulturell-medizinische Miteinander erleichtern koennen. So hatte das Hansagymnasium versucht, einen Elternahend zum Thema Drogen zu veranstalten, der sich insbesondere an tuerkische Muetter und Vaeter richtet. Die Resonanz: Null. Nach einen Gespraech mit Arif Uenal unternahm man einen zweiten Anlauf - und 27 von 30 Elternpaaren erschienen. Warum? "Ganz einfach: Die erste Einladung war auf Deutsch, der tuerkische Lehrer hatte nicht unterschrieben, und der Termin fiel auf den spaeten Nachmittag in der Fastenzeit - in die Zeit, in der man kocht und sich auf Gaeste zum Abendessen vorbereitet", berichtet Uenal.

Ein tuerkisch verfasstes Schreiben, die Signatur des allen bekannten tuerkischen Paedagogen, der familiengerechte Termin am Samstag - das war die Loesung. Uenal erzaehlt dieses Beispiel gerne, weil es zeigt, "wie wichtig in der Drogenpraevention. in der Gesundheitsarbeit ueberhaupt das Wissen um kulturelle Hintergruende ist, wenn man etwas erreichen will".

Quelle: Koelner Stadt-Anzeiger, 14.April 1999, Seite 12.


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