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Christlich-Islamische Gesellschaft e.V.
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Die Veraenderung des Mohammed-Bildes in den christlichen Kirchen seit dem 2.Vaticanum

Einleitung

Meine Damen und Herren!

Erstens moechte ich mich bei der
Koelnischen Gesellschaft fuer Christlich-Juedische Zusammenarbeit
bedanken fuer die freundlichen Einladung, zu diesem Thema zu sprechen. In den Niederlanden war ich an der J.C.M. Zusammenarbeit beteiligt als Stellvertretender Vorsitzender des Beratungskomitees von Juden, Christen und Muslimen in den Niederlanden. Eine juedische Frau, Mitglied der Ersten Kammer des Parlaments, ist Vorsitzende, eine Muslima Sekretaerin. Ich fange mit zwei Vorbemerkungen an.

(1) Als Missionar in Pakistan wurde mir von alten Kollegen immer als hoechste Weisheit empfohlen, ueber Muhammad zu schweigen, weil wir als Christen ja berufen sind, Zeugen Christi und nicht Verteidiger und Apologeten Muhammads zu sein. Allmaehlich ist mir deutlich geworden, dass schweigen ueber Muhammad, und nie ein freundliches und positives Wort ueber ihn reden, vielleicht das groesste Hindernis darstellt fuer die christliche Praesenz im islamischen Raum und das christliche Zeugnis gegenueber Muslimen.

(2) In meinem Vortrag werde ich deshalb viele offizielle Texte zitieren, weil es meines Ermessens wichtiger ist, dass Sie durch meinen Ueberblick die Standpunkte der Kirchen und grossen Theologen zur Kenntnis nehmen, denn dass Sie meine persoenliche Meinung hoeren. Diese persoenliche Meinung lernen Sie trotzdem kennen durch meine Textwahl und meine Kommentare. Damit nicht der Eindruck erweckt wird, dass fuer mich Beschaeftigung mit dem Propheten nur oder hauptsaechlich aus dem Blickpunkt des Zeugnisses wichtig sei, betone ich schon beim Anfang meiner Vorlesung, dass die Person Muhammads an sich die Aufmerksamkeit der Christen und Kirchen verdient. Ich moechte empfehlen, dass jeder Theologe in einem Land wie Deutschland mit einer grossen muslimischen Minderheit beruflich mindestens eine gute Muhammadbiographie liest. Beispiele wurden heute schon erwaehnt wie von Karen Armstrong und Maxime Rodinson. Auch Rudi Parets Mohammed und der Koran bleibt meines Ermessens lesenswert.

1. Eine alte koranische Einladung ignoriert

Es scheint mir im Zusammenhang mit diesem Thema angebracht, mit einem Koranzitat, das von Muslimen immer wieder als Begruendung des Dialogs angefuehrt wird, anzufangen:

Sag: Ihr Leute der Schrift! Kommt her zu einem Wort des Ausgleichs (il kalimatin saw 'in) zwischen uns und euch! (Einigen wir uns darauf) dass wir Gott allein dienen und ihm nichts (als Teilhaber an seiner Goettlichkeit) beigesellen, und dass wir (Menschen) uns nichts an Gottes Statt zu Herren nehmen. Wenn sie sich aber abwenden, dann sagt: Bezeugt, dass wir (Gott) ergeben (muslim) sind!.

Ich zitiere Sure 3:64 aus der Ueberzetzung von Rudi Paret. In diesem Zitat werden offensichtlich die Leute der Schrift, Juden und Christen, eingeladen anzuerkennen, dass auch Muslime dem einzigen Gott dienen. Fazlur Rahman (gestorben 1988), der bekannte Pakistani-Gelehrte und Philosoph, (ueber dessen Denken Sommer 1998 Chris Hewer noch eine Doktorarbeit in Birmingham verteidigte (A Reinterpretation of Islam in the Twentieth Century), zitiert diesen Text und sagt dazu:

Diese Einladung, die wahrscheinlich ausgesprochen wurde, als Muhammad noch glaubte, dass noch nicht alles zwischen den selbstproklamierten monotheistischen Gemeinschaften verloren war, muss den Christen als schoener Schein erschienen sein. Diese Einladung blieb unaufgemerkt.

Ich glaube trotzdem, dass es moeglich waere, eine positive Zusammenarbeit zu erreichen, vorausgesetzt, dass Muslime mehr auf den Koran hoeren als auf die geschichtlichen Formulierungen des Islams und vorausgesetzt, dass Christen ihre rezenten Pionierarbeiten weiter fuehren, damit eine christliche Lehre herauskommt, die mehr vereinbar (compatible) ist mit einem universalem Monotheismus und Egalitarismus.

2. Die positive Antwort des 2.Vaticanum antizipiert?

Fazlur Rahman hat, als er schrieb Koranische Einladung blieb unaufgemerkt, vielleicht nicht daran gedacht, dass die zwei wichtigsten Texte des 2.Vaticanum, die von Muslimen handeln in Lumen Gentium und Nostra Aetate gewissermassen eine, wenn auch sehr verspaetete kirchliche Reaktion auf diese Einladung darstellen. Wie dem auch ist, der historische Kontext dieser koranischen Aussage ist um so wichtiger fuer die Thematik, die uns jetzt in Koeln beschaeftigt. Diese koranische Einladung steht am Ende einer Perikope, die dem Propheten offenbart wurde waehrend einer Auseinandersetzung mit einer Delegation von etwa sechzig Christen aus Najran. Najran liegt etwa auf der heutigen Grenze von Saudi Arabien und dem Jemen. Man kann also ruhig feststellen, dass der Sitz im Leben dieser Offenbarung dialogisch ist. Wenn diese Christen sich weigern, sich einem Gottesurteil der gegenseitigen Verfluchung zu unterwerfen, schlaegt der Prophet vor, dass sie jedenfalls anerkennen, dass Muslime den gleichen Gott wie sie ehren. Auch den gleichen Gott wie die Juden, wie im folgenden Vers klar wird. W.Montgomery Watt denkt deshalb, dass dieser Vers schon herabgesandt wurde, als Muhammad an Juden appellierte, ihn als Propheten anzuerkennen. Ibn Hisham/Ibn Ishak, die zwei ersten Biographen Muhammads, zitieren diesen Text auch im Zusammenhang des Besuches dieser Delegation. (Der grosse Theologe und Polemist Ibn Taimiyya schreibt im 14. Jahrhundert, dass die Veranlassung (sabab al nuzul) des Anfangs des Sura Marjam (1:63) die Delegation aus Najran war.) Die Einladung an die Christen aus Najran beschraenkt sich also auf die gegenseitige Anerkennung, dem gleichen Gott zu dienen. So hat Fazlur Rahman es auch verstanden. Von einer Anerkennung Muhammads als Propheten ist nicht die Rede. Die Christen aus Najran werden dazu nicht gezwungen. Im Gegenteil, ihnen wurde ein Schutzvertrag gewaehrt mit Religionsfreiheit. Ibn Hisham, der die Geschichte dieser Begegnung des Propheten mit der Delegation ganz ausfuehrlich in der Sirat al-Nabi (Das Leben Muhammads) beschreibt, erwaehnt, wie die Christen sich waehrend der Nacht vor dem Tag des endgueltigen Treffens noch beraten haben. Nach der obenerwaehnten Einladung und dem Auftrag zum Gottesurteil sagt der Leiter (Aqib) der Delegation:

Christen, ihr wisst schon, dass Muhammad ein Prophet ist, der (von Gott) gesandt wurde, und er kam mit einer entscheidenden Aussage ueber die Natur eures Meisters. Ihr wisst, dass ein Volk, das einen Propheten verflucht, nie erlebt hat, dass seine alten Leute leben und seine jungen Menschen aufwachsen. Deshalb, wenn ihr eure Religion und die Lehre ueber euren Meister (Jesus) beizubehalten wuenscht, dann verabschiedet euch von diesem Mann (Muhammad) und kehrt nach Hause zurueck.

Es ist bemerkenswert, dass der Leiter der christlichen Delegation die prophetische Wuerde Muhammads anerkennt und deshalb davor warnt, diesen Propheten zu verfluchen.

3. Be careful with Muhammad!

Vorsicht mit Muhammad ! Mit diesen Worten hat Shabbir Akhtar, ein Theologe aus Pakistan, aber jetzt in England, die Debatte ueber die Rushdie-Affaere zusammengefasst.

Christliche Minderheiten in der muslimischen Welt waren durchaus in ihrer langen Geschichte immer sehr vorsichtig, als sie ueber den Propheten redeten. So hat es im islamischen Raum, so weit mir bekannt, nur noch selten einen Gedankenaustausch gegeben zwischen Christen und Muslimen ueber die Prophetenwuerde Mohammads. Das Gespraech zwischen den Kalifen Al-Mahdi (775-785) und dem nestorianischen Patriarchen Timotheus I. ist ein Einzelfall. In diesem Dialog (muhawara) oder Kontroverse (mujadala) wird der Katholikos vom Kalifen herausgefordert zu sagen, was er von Muhammad haelt.

Er antwortet: Mohammed verdient es, von allen vernuenftigen Menschen (natiqin) gepriesen zu werden. Die Propheten haben die Einheit (wahdaniyyat) Gottes gelehrt. Und Mohammed hat auch die Einheit Gottes gelehrt und ist also auch auf dem Wege der Propheten gewandert. Dann faengt er an, Gutes von Mohammed zu reden, zum Beispiel, dass er fuer die Ehre Gottes mit Wort und Schwert gestritten hat, dass er den Goetzendienst bekaempft hat und so weiter.

Al-Mahdi antwortete ihm: Dann muessen sie die Worte des Propheten akzeptieren.

Timotheus I.: Von welchen Worten moechten Sie reden, Majestaet?

Al-Mahdi: Die Worte, die er gesprochen hat von der Einheit Gotttes und, dass es ausser Ihm keinen Gott gibt.

Timotheus I: Den Glauben an einen Gott, das habe ich ja gelernt von der Torah, von den Propheten und vom Evangelium.

Al-Mahdi: Aber sie fuegen hinzu, dass der einzige Gott dreieinig ist.

Antwortet Timotheus: Er ist nicht drei seiner Gottheit wegen, sondern was die Personen betrifft (bil Aqanim): Sein Wort und Geist.

Wer diesen schoenen Dialog noch mal liest, wird beeindruckt vom Respekt, den der Kirchenleiter Timotheus I., wohlinformiert wie er war, schon im 8. Jahrhundert dem Islam und Muhammad entgegenbringt. Dieser Dialog ist wohl eine Ausnahme in der langen Geschichte der Beziehungen zwischen Christen und Muslimen. Aehnliche Dialoge werden noch immer gehalten im Hause des Islams zwischen einerseits Missionaren und einheimischen Christen und Muslimen anderseits. Der schon erwaehnte Sprecher der christlichen Delegation aus Najran warnte davor, dass man ueber einen Propheten keinen Fluch ausprechen soll, weil man sonst der Gefahr ausgesetzt wuerde, nicht alt zu werden. Trotzdem ist es manchmal in Spanien passiert, dass Leute absichtlich den Propheten verleumdet haben, damit sie als Maertyrer sterben wuerden. Die Behoerden versuchten, die Maertyrer noch zu retten. Sie sind jetzt noch immer bekannt als die Maertyrer von Cordoba. Als ich vor einigen Jahren in Cordoba war, wurde in unserem Gasthaus, dem katholischen Predigerseminar, ihre Geschichte mir so erzaehlt, als ob dieses Ereignis erst vor einigen Jahrzehnten stattgefunden haette. Wie empfindlich viele Muslime noch immer reagieren, wenn sie meinen, dass der Prophet beleidigt wird, wurde neulich wieder klar in der Rushdie-Affaere. Auch der Tod des pakistanischen Bischofs Dr.John Joseph in Sahiwal wurde verursacht durch diese Empfindlichkeit, die schon viele Opfer unter Ahmadis und Christen in Pakistan gefordert hat. Nicht nur fanatische und ueberempfindliche Muslime sind schuld an diesen Ausschreitungen. Missionarische Kritik an der Person des Propheten und seiner Botschaft im 19.Jahrhundert haben grosses Aergernis bei Muslimen erregt und eine oft fuer Aussenstehende uebertriebene Prophetenverehrung hervorgerufen, wie zum Beispiel in der Brelwibewegung (Siehe meinen Beitrag
Brelwi Prophetenlob und Mystik in Nordindien und in Kraft des Mystischen, Religionen Niederlande, in R.Kirste, Herausgeber, Die Dialogische Kraft des Mystischen, Religionen im Gespraech, Band 5, Nachrodt, 1998 Seiten 293-310).
Die Verleumdungsgeschichte wurde ausserhalb des islamischen Raumes im Mittelalter fortgesetzt. Ich zitiere jetzt nichts davon, weil ich sonst der Gefahr ausgesetzt bin, durch Beschreibungen der Verleumdungen mich selbst an den Verleumdungen zu beteiligen.

4. Das verzerrte Bild allmaehlich korrigiert

Von den Wissenschaftlern war Adrianus Relandus in Utrecht vielleicht der erste, der es versucht hat, das verzerrte Bild des Islams und seines Propheten zu korrigieren (De Religione Mohammedica 1705). Relandus hat 39 Irrtuemer ueber den Islam widerlegt. Relandus hat auch einiges zur Verteidigung Muhammads geschrieben. Sein Buch wurde in 5 Sprachen (Deutsch, Englisch, Franzoesisch, Spanisch und Niederlaendisch) uebersetzt, aber vom Index verboten. Das herkommliche Mohammedbild wurde, so weit mir bekannt, erst recht mit einem gewissen Erfolg in Frage gestellt nicht von einem Theologen, sondern von einem schottischen Schriftsteller namens Thomas Carlyle in seinem Buch Heroes and Heroworship (8.Mai 1840). Der erste Held von Carlyle war eine Gottheit Odin, aus der nordischen Mythologie. Ihm folgen Dante und Shakspeare (so von ihm geschrieben ohne e) der Held als Dichter, Luther John Knox der Held als Priester Samuel Johnson, Rousseau und Robert der Held als Schriftsteller und am Ende der Held als Koenig Cromwell und Napoleon. Meistens wird von seiner Mohammedvorlesung nur ein Satz zitiert:

We have chosen Mahomet not as the most eminent Prophet; but as the one we are freest to speak of, he is by no means the truest of Prophets; but I do esteem him a true one.

Carlyle unterstreicht vielmals die Aufrichtigkeit (sincerity) des Propheten. Mohammeds Geheimnis besteht seines Ermessens daraus, dass er sich verbindet

to the great deep law of the world,

mit dem Gesetz, das die Welt zusammenhaelt. Das ist der Kern des Islams, aber auch des Christentums, schreibt Carlyle. Ueber den naechsten Satz wuerden Muslime sich nicht freuen, als er sagt:

for Islam is definable as a confused form of Christianity.

Ohne Christentum haette es ja keinen Islam gegeben. Viele Muslime begruessten Carlyles Intention. Trotzdem zeigen die Muhammad-Biographien von Aloys Sprenger, William Muir und D.F.Margoliouth noch starke Tendenzen, Muhammads Bild negativ zu zeichnen, wie Annemarie Schimmel feststellt. Diese Meinung von Professor Schimmel ueber Sprenger und Muir (1819-1905) kann ich zustimmen. Muir hat mit seiner Biographie des Propheten in vier Baenden einen sehr grossen Einfluss noch mehr als hundert Jahre nach der Veroeffentlichung dieses Buches (1877) ausgeuebt. Fuer Muir war das Wesen (the nature) des Islams anti-christlich. Muhammad war in Mekka noch ein ehrlicher und aufrichtiger Prediger gewesen, aber in Medina ein kluger (und ausgekochter) Politiker geworden. Die Diskussion ueber den Gegensatz zwischen dem Propheten in Mekka und dem Politiker und Staatsmann in Medina beherrscht bis heute die nicht-islamischen Anschauungen ueber Mohammed. Zu bedenken ist, dass fuer Muslime der Erfolg Muhammads in Medina gerade den Gipfel seines Lebens darstellt. Der erste Theologe der sich meines Ermessens positiv ueber den Propheten Muhammad geaeussert hat, war der reformierte Dogmatiker Herman Bavinck (1899). Er lehrte in Amsterdam, aber hatte auch Arabisch und Islam studiert in Leiden zusammen mit seinem besten Freund Christiaan Snouck Hurgronje. Snouck wurde nachher zusammen mit Ignaz Goldziher einer der Gruender der modernen Islamwissenschaft in Europa. Bavinck is ein gutes Beispiel dafuer, dass die Theologie sich an der zeitgenoessischen Islamwissenschaft anschliesst. In modernen Mohammedbiographien sind denn auch die Verleumdungen Muhammed's allmaehlich beinahe alle verschwunden. Im deutschsprachigen Raum kann man diese Entwickelung in den Schriften von Johann Fueck und Rudi Paret lesen. Fueck schrieb ueber die Originalitaet des Propheten. Rudi Paret betont die Wahrhaftigkeit Mohammeds. Natuerlich, es gibt am Rande der Kirche und in Missionen, die nichts vom Dekolonialisierungsprozess gelernt haben, noch ziemlich negative Aeusserungen ueber den Islam im allgemeinem und Mohammed im besonderem. Doch hat sich ein positives Verhalten Mohammed gegenueber in der Theologie nur sehr langsam durchgesetzt. Auf katholischer Seite gehoeren Louis Massignon, Charles Ledit, Youakim Moubarac und Michel Hayek zu den Wegbereitern der beiden Texte, die Positives aussagen ueber die nicht-christlichen Religionen: Lumen Gentium und Nostra Aetate.

5. Das 2.Vaticanum ueber Muslime.

Lumen Gentium enthaelt die dogmatische Konstitution ueber die Kirche. In Artikel 16 von insgesamt 69 Artikeln. In diesem Artikel 16 wird erst von Juden und dann von Muslimen gesprochen. Ich zitiere nur den zweiten Text

Der Heilswille umfasst aber auch die, welche den Schoepfer anerkennen, unter ihnen besonders die Muslim, die sich zum Glauben Abrahams bekennen und mit uns den einen Gott anbeten, den barmherzigen, der die Menschen am Juengsten Tag richten wird.

Lumen Gentium wurde am 21. November 1964 vom Papst Paulus VI. unterzeichnet. Nostra Aetate hat nur 5 Artikel und wurde erst am 28.Oktober 1965 vom selben Papst unterzeichnet. Artikel 3 handelt vom Islam und 4 vom Judentum. Die Reihenfolge ist hier von aussen nach innen. Hindus und Buddhisten gehen also den Muslimen voran. Gesagt wird: Die katholische Kirche lehnt nichts von alledem ab, was in diesen Religionen wahr und heilig ist. Ich zitiere jetzt den ganzen Text vom Islam:

Mit Hochachtung betrachtet die Kirche auch die Muslime, die den alleinigen Gott anbeten, den lebendigen und in sich seienden, barmherzigen und allmaechtigen, den Schoepfer Himmels und der Erde, der zu den Menschen gesprochen hat. Sie muehen sich, auch seinen verborgenen Ratschluessen sich mit ganzer Seele zu unterwerfen, so wie Abraham sich Gott unterworfen hat, auf den der islamische Glaube sich gerne beruft. Jesus, den sie allerdings nicht als Gott anerkennen, verehren sie doch als Propheten, und sie ehren seine jungfraeuliche Mutter Maria, die sie bisweilen auch in Froemmigkeit anrufen. Ueberdies erwarten sie den Tag des Gerichts, an dem Gott alle Menschen auferweckt und ihnen vergilt. Deshalb legen sie Wert auf sittliche Lebenshaltung und verehren Gott besonders durch Gebet, Almosen und Fasten. Da es jedoch im Lauf der Jahrhunderte zu manchen Zwistigkeiten und Feindschaften zwischen Christen und Muslim kam, ermahnt die Heilige Synode alle, das Vergangene beiseite zu lassen, sich aufrichtig um gegenseitiges Verstehen zu bemuehen und gemeinsam einzutreten fuer Schutz und Foerderung der sozialen Gerechtigkeit, der sittlichen Gueter und nicht zuletzt des Friedens und der Freiheit fuer alle Menschen.

6. Direkte Vorgeschichte von Nostra Aetate

Papst Johannes XXIII., dessen Inspiration Anlass zum Zusammenrufen des II. Vatikanischen Konzils war, hatte an alle Bischoefe in der ganzen Welt eine Umfrage schicken lassen, auf der sie eigene Themen vorschlagen koennten. Nur sehr wenige Vorschlaege wurden gemacht, dass man sich mit dem Islam beschaeftige, und die wenigen, die es gab, haben den Islam hauptsaechlich als eine Gefahr fuer Kirche und Christentum dargestellt. Die Kirche solle den Islam verurteilen. Juedische Organisationen in Nord-Amerika hatten mit dem Papst Kontakt aufgenommen und ihn gebeten, nach all dem, was passiert war, vor allem waehrend der juengsten Geschichte, mal etwas Freundliches und Positives ueber die Juden zu sagen. Der Papst hatte das versprochen. Deshalb hatte Kardinal Bea November 1963 einen Entwurftext als einen Appendix zum Thema Judentum dem Text ueber die Oekumene angehaengt. Aber als die Bischoefe im Nahen Osten diesen Text lasen, protestierten sie kraeftig. Der mit Rom unierte Patriarch Maximos IV. erklaerte, dass es gut sei, den Juden gegenueber ein rechtes Verhalten zu foerdern, aber dass es in ihrer Lage unbedingt notwendig waere, auch ueber Beziehungen mit Muslimen einen Text vorzubereiten. Nur einen Text ueber das Judentum und keinen ueber den Islam, so glaubten sie, wuerde den Eindruck verstaerken, dass der Vatikan auf der Seite von Israel stehe gegen die Araber. Bischoefe in Asien machten einen gleichen Vorwurf und betonten, dass das Konzil ueber Buddhismus und Hinduismus nicht schweigen koenne. Kardinal Bea und das Sekretariat fuer christliche Einheit bekamen den Auftrag, mit Experten, die Periti des Konzils, einen Text vorzubereiten. Es gab damals noch keinen Rat oder Sekretariat fuer Kontakte mit nicht-christlichen Religionen. Der Vorbereitungsausschuss, der sich mit dem Islam beschaeftigte, hatte folgenden Mitglieder:

Pater Joseph Cuoq aus Nord-Afrika,
Pater Georg Anawati, gebuertiger Aegypter und O.P aus dem IDEO in Kairo,
Pater J.Corbon aus Beirut und
Weisser Pater Robert Caspar aus Frankreich, der meistens entweder in Rom oder Tunesien lebt.

Ich habe einem Aufsatz von Robert Caspar Hintergrundinformationen entnommen. Hilfreich war, dass Papst Paulus VI. dem Islam gegenueber eine positiven Stellung innehatte, weil er mit dem groessten katholischen Islamkenner dieses Jahrhundert, Louis Massignon, befreundet war. Freundschaften spielen eine wichtige Rolle in der Kirchengeschichte. Kardinal Lavigerie, der Gruender der Weissen Vaeter, war mit Leo XIII. eng befreundet. Dieser Konziltext, Nostra Aetate, hat einen sehr ausgewogenen Aufbau. Der Text wurde 28.Oktober 1965 it 2221 placet und 88 non placet akzeptiert.

7. Hat das 2.Vaticanum absichtlich geschwiegen ueber Muhammad?

Dr.Christian Troll S.J. aus Deutschland hat in einem Kapitel in einem neuen 1998 erschienenem Buch Islam and Christianity dem Konzil den Vorwurf gemacht, dass es ueber den Propheten Mohammed

an awkward silence, eine abscheuliche Stille

bewahrt hat. Ist dieser Vorwurf zurecht? Ich glaube es nicht. Sie erwarten natuerlich nicht von mir, einem protestantischen Pfarrer, dass ich die Erklaerungen des Konzils verteidige und das noch gegen einen alten Freund wie Christian Troll. Trotzdem moechte ich zwei Bemerkungen machen. Erstens ist die Funktion des Propheten Muhammeds anwesend im Text. Nach einer Reihe Hoheitstitel Gottes, die ohne Ausnahme der koranischen Terminologie entnommen wurden -

die Muslime beten den alleinigen Gott an, den lebendigen und in sich seienden, barmherzigen und allmaechtigen, den Schoepfer Himmels und der Erde

- wird erklaert, dass dieser Gott zu den Menschen gesprochen hat. In diesem Satz wird ja eine klare Anspielung gemacht auf die Funktion des Propheten Muhammed als Vermittler dieses Wissens um Gott. Dieser Satz enthaelt, glaube ich, noch eine verhuellte Anspielung auf das Symbolum Nicaeno-Constantinopolitanum, des 2. oekumenischen Konzils (381), als vom Heiligen Geist ausgesagt wurde:

er hat durch die Propheten gesprochen (lalèsan dia toon prophètoon).

Zweitens soll bedacht werden, dass das Erwaehnen des Namens des Propheten noch ein Schritt zu weit war. Sogar Louis Massignon hatte sich noch kryptisch ausgedrueckt, als er von Mohammed als prophète négatif sprach. Und diesen Aufsatz Massignons hat Youakim Moubarac nicht in den drei Baenden der Opera Minora Massignons aufgenommen! War Moubarac mit dieser Aussage seines Meisters weniger gluecklich? Es hatte damals (1963) nicht nur innerhalb der roemisch-katholischen Kirche, sondern auch bei Protestanten noch keine Aufklaerung bezueglich des Prophetenamtes Mohammeds stattgefunden. Eine Erwaehnung des Namens des Propheten haette sicher eine Debatte ueber die Person des Propheten hervorgerufen und es war den Experten wichtig, dass die Aufmerksamkeit auf die Botschaft Mohammeds gelenkt wurde. Vaticanum II. spricht auch nicht vom Islam als Religion und im Namen des neuen Sekretariats wird von nicht-christlichen (negativ gedeutet!) Religionen geredet. Zum Glueck heisst die neue Anschrift seit einigen Jahren: Rat fuer den interreligioesen Dialog. Wenn man die Dialogtexte des Oekumenischen Rates in Genf studiert, findet man auch nie einen positiven Hinweis auf die Strukturen der anderen Religionen. Von den 5 Pflichten wird in Nostra Aetate die Pilgerfahrt noch nicht erwaehnt, obwohl eine Anspielung auf muslimische Wallfahrten zum Mariahaus in Ephesus sehr wohl gemacht wird. Ist hier von einem diplomatischen Schachzug die Rede? Gerade dieser Satz ueber Maria macht es Protestanten schwer, diesem ganzen Text zuzustimmen.

8. Reaktionen nach dem Konzil.

8a. Gaeste von Muammar Gaddafi!

Als der Konziltext Nostra Aetate veroeffentlicht wurde, war ich Missionar in Pakistan und Mitglied des Islamics Committee des West-Pakistan-Christian-Council. Obwohl die katholische Kirche kein Mitglied dieses Rates ist, hatten wir einen katholische Berater in unserem Ausschuss, Pater Dr.Robert A.Buetler S.J. aus der Schweiz. Er machte die Mitglieder des Islamics Committee des West-Pakistan-Christian-Council auf diese Deklaration aufmerksam. Er verteilte einen Artikel, in dem er den Hintergrund dieser Erklaerung deutlich machte. Ich freute mich darueber, war aber auch ein bisschen eifersuechtig, weil die protestantischen Kirchen nichts Aehnliches zu zeigen hatten. Die Reaktionen der Muslime in Pakistan waren positiv. Zum ersten mal in der Kirchengeschichte hatte eine Kirche sich guenstig ueber nicht-christliche Religionen geaeussert! Vier Jahre nach dem Konzil (Juno 1969) erschien in Rom e Guidelines for a dialogue between Muslims and Christians. Wir benutzten es viel. Muhammad wird erwaehnt als Vermittler der Offenbarung (S.44); auf die Traditionen und die Gemeinschaft (Ummah) des Propheten (auf Englisch gross geschrieben!) wird hingewiesen, aber wir finden keine Aussage, dass die Kirche diesen Propheten anerkennen soll. Auf katholischer Seite kam eine wichtige Wende im Jahre 1976. Von 1.-6.Februar 1976 kamen 500 Christen und Muslime nach Tripoli fuer einen Dialog, an dem sich der Gastgeber Muammar Gaddafi selber beteiligte. Die Kerngruppen wurden gebildet von 16 Muslimen und 14 Christen. Die Christen waren alle katholisch. Der OeRK hatte abgesagt und auch die Koptische Kirche hatte die Einladung abgelehnt. Am 4. Tag hat P.Jacques Lanfry, damals in Algerien und ein grosser Experte der Berbersprache, in seiner Vorlesung ueber Aufhebung von Vorurteilen und Missverstaendnissen um Verzeihung gebeten fuer allen Mangel an Respekt und alle Fehlaussagen in Wort und Schrift dem geehrten Propheten des Islams gegenueber.

pardon de tous les manques de respect et de toutes les incorrections, en parole et en écrits, l' égard de Muhammad, le Prophète respecté de l'Islam.

Nach dieser Aussage von P.Lanfry sind Sheikh Soubhi as-Salih aus Libanon und Professor Azzedin Ibrahim aus den Emiraten spontan aufgestanden und sind P.Lanfry entgegen gelaufen und haben ihn umarmt. Soubhi As-Salih erklaerte sofort, da er nie eine dermassen aufrichtige Entschuldigung gehoert habe. Er sei davon ueberzeugt, dass diese Entschuldigung ueber Mangel an Respekt dem Propheten gegenueber ueberall, wo Christen und Muslime zusammenleben, einen grossen Widerhall haben wuerde. Tatsaechlich haben damals viele Zeitungen und Zeitschriften diese oeffentlichen Entschuldigung erwaehnt. Etwa 100 Journalisten waren bei dieser Konferenz anwesend! In einer Pakistani-Urdu-Zeitung wurde sogar geschrieben, dass ein orthodoxer Bischof (gemeint wurde G.Khodr) aus Libanon gesagt haette, dass die Christen Muhammad als Propheten anerkennen sollen. In Tripoli wurden aber nicht alle Missverstaendnisse geloest. Die Diskussion in Tripoli ueber den Zionismus und ueber das Barnabasevangelium hat auf beiden Seiten Aerger gegeben.

8b. Fairness in der Mission (Genf) und internationale Tagung ueber das Leben Muhammads

Das Jahr 1976 war ueberhaupt sehr wichtig fuer den Dialog. Der OeRK machte mit muslimischen Vertretern eine gemeinsame Erklaerung ueber Fairness in der christlichen Mission und islamischen Da'wah. In Pakistan fand Maerz 1976 die erste internationale Seerat-Konferenz statt. Seerat ist auf Arabisch die vorbildliche Biographie des Propheten. Das heisst, das Thema war die Person und das Leben des Propheten Muhammads und deren Wirkungsgeschichte. Als einziger Christ in der pakistanischen Delegation wurde ich eingeladen, Positives ueber den Propheten zu sagen. Ich habe gezeigt, dass der Prophet den Christen gegenueber freundlicher und toleranter war, als viele Muslime heutzutage.

Im Jahre 1977 hat die Gesellschaft fuer islamisch-christliche Freundschaft in Spanien Christen und Muslime eingeladen, zusammen das Leben Jesu Christi und Muhammads zu studieren. Der Biographie Muhammads wurde ein groesserer Platz eingeraeumt als dem Leben Jesu, weil, wie die Muslime sagten, die Christen einen Nachholbedarf haben. Am Ende der Tagung war keiner zufrieden und dieser Dialog wurde in diesem Zusammenhang nicht weiter gefuehrt. Dr.Maurice Borrmans, der in Tripoli die Gemeinsamkeiten der beiden monotheistischen Religionen betonte, wurde vom vatikanischen Sekretariat gebeten, neue Orientationen fuer den Dialog zu schreiben. Sein Buch wurde 1981 auf Franzoesisch im Auftrag des Vatikans veroeffentlicht. Es wurde vielmals uebersetzt. Es erschien auf Deutsch Mai 1985 bei CIBEDO in Frankfurt. Borrmans hat in diesem Buch ein Kapitel ueber die islamischen Prophetologie geschrieben. Er wurde dabei vom aegyptischen Sekretaer fuer Islamfragen im vatikanischen Buero ermutigt. Dieser Laie aus Aegypten Dr E.S.Sabanegh (wir kannten ihn als Frère Martin) hatte 1979 an der Sorbonne in Paris seine Doktorarbeit ueber vier moderne arabische Muhammadbiographien geschrieben und verteidigt. Er schrieb ueber M.Husayn Haikal, Taha Husayn, Tawfiq al Hakim und Abbas Mahmud al-Aqqad. Er war mit Borrmans und mit seinem palaestinensischen Kollegen Pierre Geadah, der auch in Aegypten arbeitete, einverstanden, dass man in der Kirche nicht mehr ueber Muhammad schweigen darf. Pierre Geadeh schrieb selber als Christ eine schoene Muhammadbiographie. Zu gleicher Zeit gab es Jesusbiographien von muslimischen Schriftstellern. Borrmans Buch enthaelt etwa zwoelf Seiten Prophetologie und unterstreicht, dass die Muslime

Nachahmung eines prophetischen Vorbildes

ueben. Also Imitatio Muhammadi! Er stellt fest:

Durch den Koran und durch Muhammad, der ihn uebermittelte, haben die Muslime Zugang zur Kenntnis gewisser biblischer Propheten, von deren Botschaft sie angezogen und von deren Beispiel sie inspiriert werden.

Dann schreibt Borrmans weiter ueber die biblischen Vorbilder, die im Koran wichtig sind: Abraham, Moses und Jesus. Seine Schlussfolgerung moechte ich ganz zitieren:

Wenn die Christen von Muhammad sprechen, dann muessen sie alle diese Dinge sich vor Augen halten. Sie brauchen zwar nicht immer zu unterscheiden, welches dabei der Anteil des 'Muhammad der Geschichte' und welches dabei der Anteil des 'Muhammad des Glaubens' ist, doch sollen sie die tiefe Zuneigung, die die Muslime ihrem Propheten gegenueber verspueren und an den Tag legen, respektieren. Man muss wissen, dass die Muslime oft darueber betruebt sind, dass ihre christlichen Freunde Muhammad nicht die Eigenschaft eines Propheten zuerkennen wollen, obwohl sie selber diese Eigenschaft fuer Jesus anerkennen.

Es kommt natuerlich darauf an, klar zu machen, wie man Prophetie definiert und vom welchem Muhammadbild man ausgeht. Als ich drei Jahre nach der Veroeffentlichung dieses Buches den oben erwaehnten Sekretaer fuer Islamfragen im Vatikan fragte, welche Autoritaet Borrmans Buch hat, antwortete er mir: Borrmans hat es geschrieben, aber so wird bei uns im Sekretariat gedacht. Auch Hans Kueng hat Aehnliches gedacht. Er fragt:

Wie koennen Christen Muhammad sehen? Viele Christen sehen ihn bereits als den fuer viele Voelker dieser Erde bedeutenden Propheten, der schon zu seinen Lebzeiten mit reichem Erfolg gesegnet war.

Kueng gibt eine lange Liste von Uebereinstimmungen zwischen Muhammad und biblischen Propheten. Dazu moechte ich am Ende meines Vortrags noch etwas sagen. Kueng sagt weiter, dass Christus natuerlich fuer Christen das entscheidende Regulativ sein wird. Er schlaegt vor, dass Muhammad fuer Christen prophetisches Korrektiv sei. Er meint damit, dass Muhammad uns mahnen soll,

dass Gott ganz und gar im Zentrum des Glaubens zu stehen hat, da Beigesellung irgendwelcher Goetter und Goettinen nicht in Frage kommt und dass Glaube und Leben, Orthodoxie und Orthopraxis bis in die Politik hinein zusammengehoeren (200)

Der Prophet wird also dargestellt als ein kritisches Gegenueber.

9. Andere Stimmen in der Oekumene ueber Muhammad als Propheten

Wird auch so gedacht in den anderen Kirchen? Nach dem 2.Vatikanischen Konzil haben auch eine Reihe sogenannte main line churches, das heisst entweder national-Kirchen oder Kirchen der grossen Konfessionsfamilien, sich zum Thema Islam geaeussert. Hauptanlass war die Arbeitsmigration nach West-Europa aus dem Mittelmeergebiet. Das hat einen riesigen Denkanstoss gegeben, der noch von der Revolution in Iran verstaerkt wurde. In den Niederlanden hat auch der Israelisch-arabische Konflikt eine wichtige Rolle gespielt. Ab Anfang etwa 1970 gehoerte der Islam wieder zur Dreieckgeschichte von Synagoge, Kirche und Moschee. Von diesen neuen Texten hat keiner, soweit mir bekannt, etwas Positives ueber Muhammad gesagt. Es wurde auch nichts Negatives gesagt! Das moechte ich noch mal sehr kraeftig unterstreichen. Der letzte mir bekannte Text wurde 1991 von der Synode der Reformierten Kirchen in den Niederlande in etwa 30.000 Exemplare veroeffentlicht. Es gibt sogar auch eine deutsche Uebersetzung, weil ein Teil unserer Kirchen im Grenzgebiet mit Deutschland deutschsprachig sind. Weiter gibt es Texte in der anglikanischen Kirche, in der United-Reformed-Church in England, in der Methodistenkirche in England und der Reformierten-und-Presbyterianischen-Kirche in den Vereinigten Staaten. und der Nederduits-Gereformeerde-Kerk in Sued-Afrika. Die Presbyterianische Kirche in Amerika gehoert zu den ersten Kirchen im Westen, die in einem Bekenntnistext etwas Positives sagen von nicht-christlichen Religionen (1967, deutsche Uebersetzung in Hans Steubing, Herausgeber, Bekenntnisse der Kirche, Brockhaus Verlag 1970). Diese Kirche erklaerte:

der Christ muss sich allen Religionen mit Offenheit und Achtung zuwenden.

Der OeRK hat vieles Gutes im Allgemeinem ueber das Suchen der Voelker gesagt und Leitlinien zum Dialog veroeffentlicht (1979) und immer wieder den Dialog gefoerdert, aber der Rat zoegert noch immer, ueber den Islam als Religion und ueber den Propheten des Islams eine positive Aussage zu verabschieden. In den Texten der Vollversammlungen, die seit 1948 siebenjaehrlich stattfinden, findet man erst seit Nairobi 1975 Stellungnahmen bezueglich des Dialogs, aber kaum etwas ueber den Islam und nichts ueber Muhammad. Die grossen Missionskonferenzen, die seit 1910 stattfinden, schweigen zu diesem Thema. In Edinburgh wurde schon die missionarische Methode von Temple Gairdner aus Kairo wie folgt formuliert:

In our public preaching, we simply ignore Islam, Mohammed and the Koran.

Im Edinburgh Bericht steht:

The claims of Christianity could be presented without attacking Islam or the character of its founder. Controversy generally begets hostility

(zitiert von Kenneth Cracknell, op.cit. S 232). Die Vereinbarung in Chambésy Juno 1976 (die oben schon erwaehnt wurde) ueber Mission und Einladung zum Islam wurde vom Zentralkomitee nicht sanktioniert, weil der damalige Generalsekretaer Dr.Philip Potter diesen Text als Beeintraechtigung der Freiheit der christlichen Mission sah. Muslime waren enttaeuscht, dass die Debatte nach 1976 nicht fortgesetzt wurde, wie Ahmad von Dennfer Dezember 1981 in der muslimschen Zeitschrift Impact (London) schrieb zur Einleitung eines Neudruckes des Berichtes von Chambésy. Fehlt also im OeRK ein Text, der vergleichbar ist mit Nostra Aetate des 2.Vaticanum. Dr.Stuart Brown, von 1983-1988 Sekretaer in Genf fuer Christlich-Islamische Beziehungen, hat in der Schriftenreihe RISK des OeRK ein Buch geschrieben, das man mit dem oben erwaehnten Buch Borrmans vergleichen koennte. Obwohl es nicht die offizielle Meinung des Weltrates darstellt, wurde es von A.Irfan in Impact verglichen mit der Meinung des Papstes in Rom ueber den Islam. Dr.Stuart Brown ist anglikanischer Laie aus Kanada und wurde als Islamologe ausgebildet. Er arbeitet jetzt fuer PROCMURA in Nairobi. Der Titel dieses Buches lautet The Nearest in Affection (ein Zitat aus dem Koran;

Und du wirst sicher finden, dass diejenigen die den Glaeubigen in Liebe am naechsten stehen, die sind, welche sagen: 'Wir sind Nasara, das heisst Christen

(Sure 5,85 in der Uebersetzung von Rudi Paret) und weiter mit dem Untertitel: Towards a Christian Understanding of Islam (Genf 1994). Nirgendwo wird von Brown die prophetische Berufung Muhammads in Frage gestellt. Brown vergleicht Muhammad mit Ezechiel und anderen biblischen Propheten. Er sagt, dass Muhammad nie behauptete, persoenlich unfehlbar zu sein. Unfehlbarkeit (Idma) ist ein wichtiger Punkt in der christlichen Beurteilung Muhammads. Professor Anton Wessels, reformierter Missiologe und Islamologe (seine Doktorarbeit auf Englisch beschaeftigte sich mit der Muhammad-Biographie Haykals) schrieb schon 1978, dass er Muhammad als Propheten anerkennen koenne, falls man als Christ sagen darf, dass der Prophet sich in einigen Sachen geirrt hat
(De Moslimse Naaste: Op weg naar een theologie van de islam, Kampen, Kok S.136).
Der Muhammadbiograph, der Anglikaner William Montgomery Watt, sagte genau dasselbe. Ein Teil seiner Biographie erschien auf Deutsch in Der Islam I Kohlhammer Verlag 1980.

10. Islamkonferenz der KEK 1984 (St.Poelten) ueber Muhammad

Der am meisten verbreitete Text in Europa, geschrieben im Auftrag der EKD von einer internationalen und interkonfessionellen Arbeitsgruppe und uebersetzt in sechs Sprachen Christen und Muslime im Gespraech (J.Miksch und M.Mildenberger), ist positiv ueber den Islam, aber macht keine Aussage ueber Muhammad als Propheten. Das war nicht absichtlich der Fall! Seine prophetische Funktion und Autoritaet werden beschrieben, aber eine Schlussfolgerung ueber seine eventuelle Bedeutung fuer Christen wird nicht gemacht. Der Weg der Christen wird dem Weg der Muslimen gegenuebergestellt. Rechtfertigung (christlich) und Rechtleitung (islamisch) werden verglichen. Die Stichwoerter sind: Respekt fuereinander und gegenseitiges Zeugnis. Dieses Wort Zeugnis wurde zum Hauptthema der zweiten europaeischen Konsultation der KEK ueber Muslime in Europa. Das war nicht verwunderlich, weil die Haelfte der Autoren von Christen und Muslime im Gespraech auch Mitglieder des Ausschusses Islam in Europa waren. Die Konferenz mit 80 Vertretern fand Maerz 1984 in St.Poelten, Oesterreich statt. Das Thema wurde wie folgt formuliert:

Christliches und Muslimisches Zeugnis in einem saekularisierten Europa.

Gemeint war nicht nur gegenseitiges Zeugen, sondern auch zusammen zeugen den Unglaeubigen gegenueber. Waehrend dieser KEK-Konsultation wurde eine Aussage getan ueber Muhammad. Arbeitsgruppegruppe I. beschaeftigte sich mit der theologischen Herausforderung des Islams. Der deutsche Vorsitzender Dr.Ulrich Schoen, nach Stuart Brown Islambeauftragter des Weltrates, legte den Teilnehmern dieser Gruppe sechs Fragen vor. Fragen wie sie vielmals innerhalb der Kirchen gestellt werden. Der fuenfte Frage laeutete:

Koennen Christen Mohammed als Propheten anerkennen?

Zu den Teilnehmern gehoerten Dr.Stuart Brown, Dr.Thomas Michel S.J., damals Beauftragter des Vatikans fuer den Islam, Bischof Anastasios Yannoulatos aus Griechenland, jetzt Metropolit in Albanien. Der Vorbereitungstext war von Pater Michel Lelong aus Frankreich geschrieben worden. In diesem Text wurde absichtlich Nostra Aetate zitiert. Alle beruflich ausgebildet als Islamologen! Als Berater hat Imam Mehdi Razvi aus Hamburg an der Diskussion teilgenommen. Die Antwort war nicht ein einfaches Ja oder Nein. Die Teilnehmer stimmten ein mit der folgenden sehr sorgfaeltig formulierten und ausgewogenen Antwort. Man wollte auch gemeinverstaendlich sein. Erst wird der Vergangenheit Rechnung getragen: Ich zitiere jetzt den Text (in Uebersetzung):

Eine der Linien christlichen Denkens hat Mohammed stets als Prediger der Busse im Dienste des einen Gottes geehrt. Es waere auch lieblos und unnoetig beleidigend, ihn von vornherein als falschen Propheten oder noch Schlimmeres zu verurteilen. Christen muessen immer Christi Gebot vor Augen haben: 'Richtet nicht. auf dass ihr nicht gerichtet werdet' (Matthaeus 7,1).

Im zweiten Teil der Antwort wird vor allem das Alte Testament beruecksichtigt. Ich zitiere wieder den Text:

Die Muslime verehren eine Reihe heiliger Propheten von Adam bis Mohammed, die mit einer unfehlbaren Botschaft betraut waren. Auf der anderen Seite achten die Christen die Propheten des Alten Testaments als zwar fehlbare, jedoch inspirierte Boten der Busse im Dienst des einen Gottes. Die Schreiber des Neuen Testaments setzten diese Tradition fort, in dem sie vom 'Geist der Weissagung' sprechen, den Gott auf alles Fleisch ausgiessen wird (Apostelgeschichte 2,17).

Auf Grund dieser beiden Vorbemerkungen wurde zum Schluss in einem Zug eine prophetologische Wuerdigung Muhammads gegeben, zu gleicherzeit aber christologisch eingeschraenkt: Ich zitiere wieder

Fuer Christen ist es deshalb moeglich, Mohammed als Propheten anzuerkennen, aber allein im Kontext dieser Tradition. Wir muessen aber trotzdem sicherstellen, dass unsere muslimischen Freunde die genauen Unterschiede zwischen den beiden Standpunkten verstehen; denn Christen glauben, dass die Offenbarung durch den erfolgt, der groesser als alle Propheten ist: 'Er ist der Abglanz seiner Herrlichkeit und das Abbild seines Wesens und hat vollbracht die Reinigung unserer Suenden' (Hebraeer 1,3).

11. Wie wurde auf diesen Text reagiert von den anderen Teilnehmern?

Der Vertreter aus Norwegen sagte:
Mit diesem Text kann ich zu Hause nichts anfangen.
Es ist ja bekannt, dass die Lutheraner aus Norwegen bei oekumenischen Tagungen vielmals einen vom Traditionalismus gepraegten Standpunkt vertreten. Aber er hat selber nicht dagegen gestimmt! Auch wurde dieser Text in den Fuehrungsgremien der KEK nicht abgelehnt oder angegriffen. Von den 112 Mitgliedskirchen hat die evangelische Kirche in Griechenland auf ziemlich negative Weise auf den Text ueber Muhammad reagiert. Ich kann diesen Brief jetzt nicht zitieren, weil er schon in den Archiven in Genf liegt. Die Muslime waren nicht zufrieden, freuten sich aber ueber die Absicht die Kirchen und Christen in Europa, anzuregen, Positives zu sagen ueber den Propheten Muhammad. Sehr wichtig war es, dass April 1984, nur einen Monat nach der Konferenz, Bischof Kenneth Cragg ein Buch veroeffentlichte zum gleichen Thema.:
Muhammad & the Christian A Question of Response.
Man kann dieses Buch sehen als eine unabhaengige Unterstuetzung der Aussagen ueber Muhammad in St.Poelten. Fuer Cragg ist das Evangelium entscheidend. Mit dem Alten Testament hat er keine Muehe, Muhammad als einen Propheten wie zum Beispiel Amos anzuerkennen. Kenneth Cragg stellt fest, dass Christologie nicht Chronologie in der Frage der Diskussion ueber Muhammad entscheidet. September 1987 wurde ich in Rom waehrend einer internationalen Islamkonferenz eingeladen, die Erklaerung von St Poelten zu erlaeutern und zu verteidigen. Die kritischen Bemerkungen kamen meistens aus den katholischen und mit Rom unierten Kirchen im Nahen Osten. Ein Erzbischof war Vorsitzender. Die Diskussion fand auf Franzoesisch statt. Drei kritischen Hauptpunkte wurden erwaehnt:

(1) Muslime werden nie zufrieden sein mit einer beschraenkten Anerkennung Muhammads

(2) Die Kirche hat Maenner und Frauen heilig erklaert. Eine Kanonisierung als Propheten kennen wir in der Kirchengeschichte nicht.

(3) Leute, die behaupteten, Prophet zu sein, waren meistens Ketzer oder marginalisierte Christen in der Kirche.

Haette ich in Rom gesagt, dass Zeitgenossen Luther schon als Propheten anerkannten, haette diese Behauptung das roemische Vorurteil nur verstaerkt! Luther nannte sich bekanntlich
den deutschen Propheten
(vergleiche
A, de Reuver, De profetenmantel van Muentzer en die van Luther in F.G.M.Broeyer, red., Profetie en godspraak in de geschiedenis van het christendom Zoetermeer, 1997).
Der meines Ermessens wichtigste Vorwurf, den man 1987 in Rom dem Text der KEK machte, war pastoraler Art. Der Kirche im islamischen Raum sei deshalb nicht gedient mit einer Erklaerung, dass Muhammad ein Prophet sei, weil die Kirche als Minderheit eine deutliche Grenze mit dem Islam braucht. Eine solche Erklaerung wuerde die Indifferenz foerdern und eine gewisse Ambiguitaet und Ambivalenz entstehen lassen. Die Kirchen im Nahen Osten verlieren, so sagten sie, schon durch Emigration und Mischehen viele Mitglieder. Verwischung der Grenzen zwischen Kirchen und Islam wuerde aus pastoraler Sicht katastrophal sein. Eine offizielle Anerkennung sei auch nicht noetig. Die Kirche im islamischen Raum hat ja immer mit Respekt von dem Propheten des Islam gesprochen. Mehr wird nicht erwartet. Ein klarer Unterschied zwischen Muhammad und Jesus sei auch fuer den Dialog auf Dauer fruchtbarer als als eine Art Bekenntnis zu allgemeinen und gemeinsamen Wahrheiten.

12. Versuch einer Zusammenfassung

1. Negative Aussagen ueber den Propheten Muhammad werden in der Oekumene selten gemacht. Am Rande gibt es sie leider noch.

2. Viele Theologen im Protestantismus und in der roemisch-katholischen Kirche sind der Meinung, dass man Muhammad auch mit biblischen Definitionen von Propheten anerkennen kann. Der Lutheraner Reinhard Leuze aus Muenchen schrieb (Christentum und Islam,1994 S.39): Mohammed - ein Prophet? Die christliche Theologie wird nicht umhin koennen, diese Anerkennung auszusprechen.

3. Zur gleicher soll die Kirche, um ihre Identitaet beizubehalten, bekennen, dass der Herr Jesus nicht mit den Propheten dieser Welt gleichzustellen ist (Bekenntnis der Batakkirche, Indonesien, 1951).

4. Aus pastoralen und oekumenischen Gruenden ist es meines Ermessens wichtig, diesen Konsensus nicht dogmatisch festzulegen in kirchlichen Erklaerungen vom Vatikan oder vom Weltkirchenrat oder irgendeiner Kirche. Es genuegt, dass festgestellt wird:

So wird in der Kirche respektvoll ueber den Propheten Muhammad gedacht!

Muslime wuerden das verstehen, weil im Islam Konsensus nicht durch Gremien entsteht, sondern durch Gelehrte (`ulama). Konsensus ist, wie Fazlur Rahman es schoen formuliert hat

enlightened public opinion, die aufgeklaerte oeffentliche Meinung.

Muhammad anerkennen als Prophet wird in der Kirche also eine freundliche und hoefliche Selbstverstaendlichkeit, die in keiner Weise die eigene Identitaet gefaehrdet, auch nicht in den Minderheitskirchen im islamischen Raum.

5. Ich bin davon ueberzeugt, dass ein derartiger Konsensus einen neuen Raum fuer Dialog und Zusammenarbeit schaffen wird.

Pfarrer Dr.Jan Slomp, Niederlande

Revisierter Text nach dem Referat vom 15.September 1998 auf der 5.Trialogtagung der Koelnischen Gesellschaft fuer Christlich-Juedische Zusammenarbeit.


idea Nr.111/98 vom 23.September 1998

Leusden (idea) - Christen sollten Mohammed als Propheten anerkennen, fordert der fruehere niederlaendische Kirchenreferent und Islam-Experte Jan Slomp (Leusden). Mohammed sei in vieler Hinsicht vergleichbar mit den alttestamentarischen Propheten; seine Anerkennung koenne das Zussammenleben von Christen und Muslimen foerdern. Slomp war zunaechst Missionar in Pakistan; danach arbeitete er bis zu seinem Ruhestand als Bildungsreferent fuer christlich-islamische Angelegenheiten bei der Reformierten Kirche in den Niederlanden (GKN). Slomp beklagt, dass einige Kirchen und Missionsgesellschaften immer noch negativ ueber den Islam und Mohammed daechten. Seit Jahrhunderten saehen Christen ihn als falschen Propheten an, aber umgekehrt behaupte der Islam so etwas nicht von Jesus. Slomp: Wir sollten sagen, dass Mohammed ein Prophet ist, und dass wir ihm mit Respekt begegnen. Es sei falsch zu behaupten, dass der Koran Luegen enthalte.

Islamische Geistlichkeit begruesst Slomps Vorschlag.
Slomp fuehrt der oekumenischen Nachrichtenagentur ENI zufolge vor allem die Betonung der sozialen Gerechtigkeit und der Bekaempfung der Armut im Koran an. Zudem verweist er auf Schwierigkeiten im Umgang mit muslimischen Schuelern an christlichen Schulen. Wenn Kinder ihren Lehrer ueber Mohammed fragten und er ihn als Irrlehrer bezeichne, dann werde er sich damit Unmut bei den muslimischen Eltern einhandeln. Wenn der Lehrer aber Mohammed als Propheten anerkenne, bekomme er Probleme mit seinem Pastor. In den Niederlanden leben etwa 500.000 Muslime. Von der islamischen Geistlichkeit wurde Slomps Forderung begruesst. Der christliche Religionswissenschaftler Anton Wessels (Amsterdam) rief bei den Feiern zum 50jaehrigen Bestehen des Weltkirchenrates in Amsterdam dazu auf, dass Christen, Muslime und Juden auch die Heiligen Schriften der jeweils anderen Religionen lesen sollten. (111/98/6)


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