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Zum Glauben gehoeren Gebet und Zeugnis

Was notwendig ist, um morgen noch den christlichen Glauben leben zu koennen

Die Kirche schmilzt bei uns zulande. Die Zahl der Austritte hat nicht nennenswert nachgelassen. Wenn es so weitergeht, werden die Christen in der naechsten und uebernaechsten Generation nur noch eine Minderheit in unserer Gesellschaft darstellen. Ein katholisches Milieu wird es nicht mehr geben, "Volkskirche" nur noch in der Erinnerung an fruehere Zeiten. Damit wird es schwerer, Christ zu sein, ein Leben aus dem Glauben zu fuehren. Wie geht das?

Das erste und Wichtigste ist das persoenliche Gebetsleben

Gebet ist das Atmen des Glaubens. Wer mit Gott leben will, muss mit ihm Kontakt halten. Es sollte kein Tag vergehen, an dem wir nicht wenigstens einmal "abschalten", still werden, uns sammeln und auf Gott hin oeffnen. Wie einer betet, bleibt ihm selbst ueberlassen. In unserer alten Klosterkirche in Koeln konnte man gegen Abend immer wieder Menschen beobachten, die auf dem Heimweg von der Arbeit einen Schwenk in die Kirche machten, sich still in eine Bank setzten, um mit Leib und Seele ruhig zu atmen, sich vor Gott zu sammeln, den Tag zu ueberdenken, sich Gott wieder anzuvertrauen. Dazu bedarf es nicht vieler Worte: "Euer Vater weiss ja, was ihr braucht, schon ehe ihr in darum bittet" (Mt 6,8).

Eine Form des persoenlichen Gebetes ist die "Betrachtung". Als erste Quelle bietet sich die Heilige Schrift an. Nicht jeder tut sich leicht damit. Eine gute Hilfe sind Betrachtungsbuecher wie die neue Reihe "Taeglich ein Text" (Matthias-Gruenewald-Verlag).

Sie bieten kleine Abschnitte aus den Schriften geistlicher Autoren, jeweils ein paar Saetze, die in die Tiefe fuehren. Das betrachtende Gebet ist etwas ganz Einfaches, es bedarf keiner komplizierten Methoden, Techniken. Von Maria wird berichtet: "Maria behielt alle diese Geschehnisse und erwog sie in ihrem Herzen" (Lk 2,19). Statt "Geschehnisse" kann man auch uebersetzen: "Worte". Das griechische Wort "rhemata" kann beides bedeuten: Gott spricht zu uns durch das, was wir erleben, die "Geschehnisse" sind Gottes Worte; und seine ausdruecklichen Worte werden zu Geschehnissen, wenn wir sie ins Leben nehmen. Gebet ist sprechender Glaube. Glaube, der nicht mehr betet, stirbt, so wie die Liebe von Ehepartnern stirbt, wenn sie nicht mehr miteinander sprechen.

Das Zweite ist das Glaubensgespraech

Das zweite, das zum Christsein heute und morgen notwendig ist, ist die Kommunikation mit anderen im Glauben, das Glaubensgespraech. Das hat es frueher auch in gut katholischen Familien kaum gegeben - man verstand sich auch so als Glaubensgemeinschaft. Heute ist der Glaube in den Familien aus anderen Gruenden sprachlos geworden. Den meisten ist einfach die Luft ausgegangen. Welche Eltern bringen es noch fertig, mit ihren Kindern ueber ihren Glauben zu sprechen? Wenn das Eindruck machen soll, darf es nicht nur ein Sprechen "ueber" den Glauben, sondern muss ein Sprechen aus dem persoenlichen Glauben sein. Und das setzt Wahrhaftigkeit, Echtheit voraus. Die Kinder spueren, wie ernst das den Eltern selber ist. Echtheit kann auch durchaus bedeuten, dass sich die Gespraechspartner ihre Schwierigkeiten mit dem Glaubensieben eingestehen. Wir sind alle erst unterwegs zur Fuelle des Glaubens. Paulus wuenscht uns: "Er (Gott) moege euch verleihen, dass ihr durch seinen Geist an Kraft erstaerkt am inneren Menschen, dass Christus durch den Glauben in euren Herzen wohne" (Eph 4,16-17).

Christ ist man nicht nur fuer sich selbst

Dazu kann auch das Glaubensgespraech verhelfen. Selbst Paulus, dem Christus erschienen war, der ein "Uebermass an Offenbarungen" empfangen hatte (2 Kor 12,7), aeussert den Wunsch: "Ich sehne mich danach, euch zu sehen, um euch etwas von der Gabe des Heiligen Geistes mitzuteilen zu eurer Staerkung" - will sagen: zugleich bei euch Ermutigung zu schoepfen durch den gegenseitigen Austausch eures und meines Glaubens" (Roem 1,11-12). Christsein wird morgen nur noch in intensiver Glaubensgemeinschaft moeglich sein.

Christ ist man nicht nur fuer sich selbst, um des eigenen Heiles willen, sondern immer auch fuer andere. Wir nehmen alle teil an der Sendung Christi. Auch das ist schwieriger geworden. Edith Stein hat dazu einmal gesagt: "Dem modernen Heidentum, dem vielfach jedes geistliche Kleid verdaechtig ist, das von keiner Glaubenslehre etwas wissen will, kann das jenseitige Leben kaum noch anders nahe kommen als in Menschen, die von aussen gesehen seinesgleichen sind, vielleicht denselben Beruf in der Welt ausueben, starke gemeinsame Interessen mit den Menschen dieser Welt haben und doch spuerbar von seiner geheimnisvollen Kraft getragen sind, die von anderswoher kommt." Ausbreitung des Glaubens geschieht heute nicht mehr durch Enzykliken und Hirtenbriefe, sondern durch persoenliche Ansteckung. Wir sollten so leben, dass andere neugierig auf unsere Lebensquelle, unseren Glauben werden, uns vielleicht eines Tages danach fragen. Viele Menschen unserer Gesellschaft sind hinter dem Gehabe von Selbstsicherheit zutiefst unsicher, ob das, was das moderne Leben bietet und was man daraus macht, genuegt, um Sinn und Halt zugeben. Sie denken im Grunde vielleicht wie der franzoesische Dichter Antoine de Saint-Exupéry: "Man kann nicht mehr leben von Eisschraenken, von Politik, von Bilanzen und Kreuzwortraetseln. Man kann es nicht mehr."

Um morgen noch Christen zu sein, um gegen den Strom der "oeffentlichen Meinung" schwimmen zu koennen, brauchen wir ein neues Selbstbewusstsein, kein ueberhebliches, sondern ein im Glauben und in der Glaubensgemeinschaft vertieftes. Wenn der Grundwasserspiegel in einem Land sinkt, muss man tiefer graben, um aus den Quellen lebendigen Wassers zu schoepfen und anderen Duerstenden davon mitzuteilen.

Hermann-Josef Lauter OFM

Quelle: (katholische) Kirchenzeitung Koeln, 26.Februar 1999, Seite 14.


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