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Zur Frage gemeinsamen Betens
Mehr zu diesem Thema: Erfahrungen eines Christen / Muslims / Friedensgebete
Vorwort
Die Beziehungen zwischen Christen und Muslimen sind vielerorts vertrauter geworden. Gelegentlich finden sogar Christlich-Islamische Gebete und Feiern statt und finden oeffentliches Interesse. Noch ist es keine grosse Zahl - aber es koennte sein, dass wir am Anfang einer Entwicklung stehen. Gegenueber diesen gemeinsamen Feierstunden gibt es nicht nur Vorbehalte und Kritik, sondern auch Anerkennung. Gleichzeitig ist unter denen, die sich darauf einlassen, eine ganze Bandbreite von Einstellungen moeglich. Was fuer die einen das Selbstverstaendlichste ist, wird von anderen gruendlich bedacht. Wo einige unsicher sind, koennen andere kein Problem erkennen.
Die vorliegende Orientierungshilfe moechte dazu beitragen, den eingeschlagenen Weg des Miteinanderbetens und -feierns klaerend und anregend zu begleiten. Es ist zu begruessen, dass an die Stelle des traditionellen Gegeneinanders und des desinteressierten Nebeneinanders eine Oeffnung aufeinander zu stattgefunden hat und das Miteinander vor dem einen Gott gesucht wird. Gleichzeitig stehen damit viele Fragen im Raum, die fuer die meisten Christen neu und aufregend sind und gruendlich bedacht werden muessen. Die wertschaetzende Verhaeltnisbestimmung von Christentum und Islam ist leider ein weitgehend unbearbeitetes Kapitel christlicher Theologie. Sie kann in dieser Orientierungshilfe auch nur ansatzweise im Blick auf die Fragestellung des gemeinsamen Betens ausgefuehrt werden, wobei das Problem der Verschiedenheit des Gottesbildes besonders thematisiert wird.
Der Ausschuss "Christen und Muslime" der Evangelischen Kirche im Rheinland legt mit dieser Schrift einen Beitrag aus evangelischer Sicht vor mit dem Wunsch, dass er in der rheinischen Kirche auf vielen Ebenen diskutiert wird.
Wenn im Folgenden der sehr weit gefasste Begriff "Christlich-Islamisches Feiern und Beten " Verwendung findet, so geschieht das im Bewusstsein der vielfaeltigen Benennungen im konkreten Fall (Gebet; Feierstunde, Feier, Gottesdienst u.a.).
Christlich-Islamisches Feiern und Beten findet da statt, wo Christen und Muslime
In den meisten Faellen geht die Initiative von den Christen aus. Aber Muslime signalisieren auch Bereitschaft, an solchen Feiern mitzuwirken. In Zukunft duerften sich auch in anderen Bereichen Christlich-Islamische Feierstunden etablieren, etwa beim Kirchentag, in der Interkulturellen Woche, auf Tagungen oder in der Woche der Geschwisterlichkeit. Die Intention, gemeinsames Feiern und Beten durchzufuehren, ist nicht einheitlich.
Die Art und Weise der Teilnahme an solchen Feiern kann sehr verschieden sein.
Die Zusammensetzung der Teilnehmenden haengt auch von den Umstaenden ab. In einer Schule koennen Muslime in der Mehrheit sein, waehrend zu einem Friedensgebet eher Christen kommen. Der Ort und die Zeit der Feier spielen eine Rolle.
In der Regel findet sich ein gemischtes Vorbereitungsteam, das fuer die Durchfuehrung verantwortlich ist. Die Traegerschaft ist aber nicht immer eine christlich-islamische. Sie kann genauso bei einer Einzelperson liegen, bei einer Institution oder bei einer Gruppe (zum Beispiel WCRP = World Council on Religion for Peace).
Eine Christlich-Islamische Feier ist nicht selten durch den christlichen Gottesdienst gepraegt. Nach einer Eroeffnung folgen Gebete, Lieder, Lesungen und Ansprachen. Die Feier endet mit einem Segenswort. Muslime beteiligen sich mit unterschiedlichen Beitraegen. Dies koennen ein Grusswort oder eine Rede sein, Koran-Rezitation, Gebete oder religioeser Gesang (Ilahi). Meistens bieten die christlichen Beitraege eher die Moeglichkeit einzustimmen, waehrend die muslimischen Beitraege vornehmlich ein Zuhoeren erfordern. Es koennen auch bestimmte Gegebenheiten zum Anlass fuer Erklaerungen genommen werden. Die unterschiedlichen Traditionen werden kenntlich gemacht durch entsprechende Einleitungen. Zum gemeinsamen Gebet kann es kommen, wenn die jeweils andere Glaubensgemeinschaft zum Mitbeten eingeladen wird oder wenn ein besonderes Gebet zu diesem Zweck formuliert wurde. In der Regel wird aber nacheinander gebetet.
Die Erfahrungen, die mit gemeinsamen Feiern und gemeinsamem Beten gemacht wurden, sind beeindruckend.
Waehrend der Vorbereitung waechst ueber die Verstaendigung das Vertrauen. Moegliche Differenzen werden diskutiert. Man kommt sich naeher, entdeckt Gemeinsamkeiten im Glauben, beurteilt Unterschiede mit mehr Mass, bedenkt und vergewissert sich der eigenen Tradition neu. Waehrend der Durchfuehrung erleben sich die beiden Religionsgemeinschaften in der jeweiligen Froemmigkeit, gepraegt durch Sprache, Gestik und Kleidung. Die Achtung und der Respekt voreinander nehmen zu. Freilich haengen solche positiven Erfahrungen von dem jeweiligen Verhalten ab. Der Bereich der Froemmigkeit ist ein sensibler und intimer Bereich, in dem Verletzungen um so schwerer wiegen. Darum bemuehen sich beide Seiten, behutsam miteinander umzugehen. Es stellt sich in diesem Zusammenhang das gleiche Problem wie bei christlich-juedischen Feiern. Die Diskussion dieser Fragen geschieht haeufig im Vorfeld der Feier, auch im Angesicht der anderen Glaubensgemeinschaft. Fuer Christen stellen sich zum Beispiel folgende Fragen:
Christlich-Islamisches Feiern und Beten kann zum Problem werden,
Dennoch: Im Rahmen der Versuche, einander achten zu lernen, ist Christlich-Islamisches Beten und Feiern besonders zu wuerdigen. Die theologische Reflexion wird nicht davon unberuehrt bleiben, dass die Praxis ihrer Theorie vorausging. Auch wenn die Moeglichkeiten der Begegnung noch nicht voll ausgeschoepft sind und Christlich-Islamisches Feiern und Beten unterschiedlicher Bewertung und Kritik unterliegt, ist es ein eindrueckliches Zeugnis der Verbundenheit im jeweiligen Glauben. Es bleibt freilich vieles zu bedenken. Christlich-Islamisches Beten und Feiern hat haeufig noch "experimentellen Charakter". Nichts ist schon eingespielt. Alles muss immer wieder neu bedacht werden.
Manche evangelische Christen reagieren befremdet, wenn andere Christen gemeinsam mit Muslimen vor Gott treten. Ist dies ein Tribut an den pluralistischen Zeitgeist oder gibt es theologisch ueberzeugende Gruende?
Bevor hier eine Antwort gesucht wird, muss daran erinnert werden, dass evangelischen Christen ein unvoreingenommener Umgang mit dieser Frage schwer faellt:
1. In einer mehr als 1400-jaehrigen Geschichte haben sich in der abendlaendischen und der islamischen Welt Feindbilder herausgebildet, verbunden mit Aengsten, Ressentiments und Aggressionen. Sie haben ihren Grund in den historischen Erfahrungen von Kriegen und Eroberungen, aber auch in verzerrten Darstellungen der anderen Seite und apologetischen Traditionen. Durch die Berichterstattung der Massenmedien leben diese Feindbilder auf und werden verstaerkt. Solchem Einfluss koennen sich evangelische Gemeinden in Deutschland schwer entziehen.
2. Das Abendland neigt dazu, fuer kulturelle Besonderheiten
der islamischen Welt allein religioese Gruende zu suchen.
Kulturelle Verschiedenheit und Fremdheit wird dann als
unueberbrueckbar betrachtet, weil sie in der Religion begruendet
sei.
So wird zum Beispiel Diskriminierung von Frauen in der
traditionellen Gesellschaft als typisch islamisch gewertet, wenn
sie bei Tuerken oder Arabern beobachtet wird. Aehnliche
Erscheinungen in christlichem Umfeld, zum Beispiel in Deutschland
oder in Mittelmeerlaendern wie Sizilien, Griechenland werden als
historisch oder kulturell bedingt erklaert. Haeufig laesst man
dabei auch noch das Christentum nur in seiner heutigen
abendlaendisch-westlichen Gestalt als christlich gelten und
grenzt Formen zum Beispiel orientalischen oder afrikanischen
Christentums als nicht "eigentliches" Christentum aus.
3. Bei diesem Uebergewicht religioeser Deutungskategorien erweisen sich alte theologische Urteile der christlich-abendlaendischen Tradition ueber den Islam als folgenschwer. Da der Islam zeitlich nach Jesus Christus mit dem Anspruch goettlicher Offenbarung auftritt, wird er in der christlichen Tradition als antichristlich verurteilt.
4. Die deutschsprachige, evangelische Theologie des 20.
Jahrhunderts bringt aus ihrer Tradition besondere Vorbehalte
gegenueber einer offenen interreligioesen Begegnung mit. In deren
Ablehnung konnten sich Stroemungen der dialektischen Theologie
mit Anhaengern eines verengten Missionsgedankens treffen, die den
Islam vornehmlich als Konkurrenz auf dem Missionsfeld und damit
als antichristlich wahrnahmen.
Trotz dieser Hemmnisse veraendern sich heute die alten
kirchlichen Positionen. Die katholische Kirche hat ihr
Verhaeltnis zu den Muslimen bereits vor 30 Jahren im 2.
Vatikanischen Konzil theologisch neu formuliert. In der
Verantwortung des Oekumenischen Rats der Kirchen gibt es seit 30
Jahren fruchtbare Begegnungen, die 1989 mit dem Buch "Meeting in
Faith - Twenty Years of Christian-Muslim Conversations Sponsored
by the World Council of Churches" (Fn1) dokumentiert wurden.
In der Evangelischen Kirche im Rheinland und der Evangelischen
Kirche von Westfalen konnten in den vergangenen Jahrzehnten in
der Begegnung mit Muslimen gute Erfahrungen gemacht werden. Bei
vielen Gelegenheiten wurde eine Verbundenheit in religioesen
Fragen und Anliegen entdeckt, die die Teilnehmer
ueberraschte.
Theologische Neubesinnung, wie sie die Studie der Vereinigten
Evangelischen-Lutherischen Kirche Deutschland (VELKD) und der
Arnoldshainer Konferenz, "Religionen, Religiositaet und
christlicher Glaube" (Guetersloh 1991) dokumentiert, begleitet
dies.
Diese neue Oeffnung zu Begegnung, Dialog und Zusammenarbeit
erhaelt staerkere Dringlichkeit, weil die innen- und
aussenpolitische Situation nach dem Friedenswillen der
Religionsgemeinschaften fragt: zunaechst der Golfkrieg und jetzt
der Krieg in Bosnien drohen, die Religionsgemeinschaften
gegeneinander zu stellen. In die auslaenderfeinliche Agitation
und Gewalt in der Bundesrepublik fliesst auch Antiislamismus ein.
Umgekehrt koennen sich auch Gefuehle der Frustration von Muslimen
in den islamischen Laendern, aber auch in Deutschland mit
antichristlichen Ressentiment verbinden. In dieser Situation wird
die Friedensbereitschaft und Friedensfaehigkeit der Religionen
auf die Probe gestellt.
Trotz aller Behutsamkeit bei Planung und Durchfuehrung christlich-islamischer Feiern werden gegen sie grundsaetzliche, theologische Vorbehalte geltend gemacht. Haeufig wird auf die Unterschiedlichkeit der Gottesbilder hingewiesen bis zur Folgerung: "Christen und Muslime beten zu verschiedenen Goettern".
Es stellt sich die Frage, wie mit den Unterschieden von christlichem und muslimischem Gottesglauben umzugehen ist. Wie sind sie theologisch zu bewerten und welche Folgen hat diese Bewertung fuer Christlich-Islamische Feiern?
Zwischen Gott und Gottesbildern ist zu unterscheiden. Auch wenn Menschen und Religionen verschieden von Gott reden, schafft die Vielzahl von Gottesbildern und Religionen keine Vielzahl von Goettern.
Gott ist auch nach christlichem Bekenntnis einer und einzig (Dtn 6,4.5; Mk 12,28). Neben ihm gibt es keine anderen Goetter. Es ist ein Gott, der an Christen und Muslimen, ja an allen Menschen handelt, auch wenn sie ihn verschieden verstehen und verehren, ihn ignorieren oder ablehnen. Evangelische Christen erkennen, dass Gottes Handeln ueber die evangelische oder die christliche Kirche hinausreicht:
Grundlegende Aussagen finden sich in der Studie "Religionen, Religiositaet und christlicher Glaube", die von der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) und den Kirchen der Arnoldshainer Konferenz verantwortet wird (Fn2): "Damit gewinnen der Islam wie der Hinduismus wie andere Religionen einen neuen Beurteilungshintergrund. Auch durch sie handelt Gott an den Menschen. Gott ist ihnen nicht fern, wie allen menschlichen oder geschichtlichen Ereignissen. Man kann sie nicht einfach in Bausch und Bogen als menschliches Gemaechte abtun, obwohl sie wie alles Geschichtliche daran teilhaben, dass der Mensch immer wieder Bedingtes zum Unbedingten macht und somit daemonisiert. Auch in den Religionen und hinter ihnen taucht Gott in seinem Welthandeln auf mit dem Ziel, dass die Menschheit ihn findet. Gott steht mit seiner Gottheit im Zielpunkt aller Religionen, wie er ihren Ursprung fuegt; zugleich verkehren die Menschen das Handeln Gottes nach ihrem Willen" (Fn3). Die Studie formuliert die Leitvorstellung einer Konvivenz (Zusammenleben), die folgendermassen beschrieben wird: "Sie bezeichnet ... die gemeinsame Gebeugtheit des christlichen Glaubens mit den Religionen unter das souveraene Handeln Gottes an ihnen allen. Diese Gemeinsamkeit schafft die Basis fuer gemeinsame Lebensvollzuege, indem wir einander helfen, voneinander lernen, fuereinander Gottesdienste halten und beten. So koennen wir schliesslich auch das sich Gott allein verdankende Leben gemeinsam feiern" (Fn4).
Dass hier gemeinsames Feiern mit anderen Religionen in einer von der grossen Mehrheit evangelischer Kirchen in Deutschland verantworteten Studie bejaht wird, ist ein wichtiger, neuer Schritt.
Ueber die Gemeinschaft mit allen Menschen hinaus haben Christen zum islamischen Gottesglauben ein besonderes Verhaeltnis. Fuer eine evangelische Einschaetzung des christlich-islamischen Verhaeltnisses ist von Bedeutung:
Der Koran gilt im Islam als Gottes direkte Offenbarung und hat insofern einen anderen Stellenwert als die Bibel im Christentum. Ist die Bibel nach christlichem Glauben gleichzeitig Gottes Wort und menschliches Glaubenszeugnis, so gilt der Koran Muslimen allein als Gotteswort.
Um zu klaeren, ob Christen mit Muslimen vor Gott treten koennen, wird von evangelischen Christen haeufig gefragt, ob denn Muslime ueberhaupt zu dem in der Bibel bezeugten Gott beten.
So sind hier Unterschiede zum Glauben der Muslime markiert, die Muslime selbst ansprechen. Christen sollten diese Unterschiede akzeptieren.
Charakteristisch fuer das enge Verhaeltnis von Islam und Christentum ist, dass beide miteinander und mit dem Judentum durch die biblische Tradition verbunden sind. Dadurch haben sie enge Bezuege und Gemeinsamkeiten. Es zeigen sich aber auch Gegensaetze, denn manchmal werden auf gemeinsame Fragen verschiedene, gegeneinander stehende Antworten gegeben.
Die Verbindung durch die biblische Tradition beschreibt nicht nur ein historisches Verhaeltnis oder ein rein aeusserliches Phaenomen. Nach evangelischem Glauben handelt Gott selbst in seinem Wort: er selbst handelt, wenn Menschen sein Wort hoeren und predigen und es neu auslegen. Dabei ist schon innerhalb der Bibel und des biblischen Kanons zu beobachten, wie biblische Autoren sich die alten biblischen Texte neu aneignen, indem sie Akzente setzen, auch andere als der urspruengliche Text. Dabei grenzen sie sich gelegentlich auch gegen aeltere oder andere biblische Traditionen ab. Traditionszusammenhang kann sogar innerhalb des biblischen Kanons die Markierung von Differenz bedeuten. Dass biblische Tradition weitergegeben werden kann nicht nur in Uebernahme, sondern auch in Abgrenzung von aelteren biblischen Texten und Themen, laesst sich dann auch ausserhalb des biblischen Kanons und in nachbiblischer Zeit beobachten.
Auch wenn dabei widerspruechliche Aussagen gegeneinander stehen: Es ist fuer Christen denkbar, dass Gott mit seinem Geist Menschen in ihrer Auslegung begleitet und geleitet, die auf der Wortebene zu gegensaetzlichen Aussagen gelangen.
Ohne diese Zuversicht waere Verstaendigung auch zwischen den christlichen Kirchen ueber alte Lehrverurteilungen nicht moeglich.
So ist es fuer sie heute auch mit ihrem Glauben vereinbar, dass Juden und Christen von Gott sehr verschieden sprechen. Christen koennen glauben, dass Gott auch das juedische Volk in seinem Glauben geleitet und begleitet. Im Gespraech mit Juden haben Christen gelernt, dass grosse Unterschiede, auch im Gottesglauben, nicht die Beziehung zu dem Gott der Bibel aufheben. Auch wenn Juden Gott nicht als den dreieinigen Gott bekennen und Jesus Christus nicht als wahren Menschen und wahren Gott - dass auch sie zu dem biblisch bezeugten Gott beten, wird heute kaum ein evangelischer Christ bestreiten. Evangelische Christen haben dies aber erst muehsam lernen muessen!
Wer solche Ueberlegungen ernst nimmt, versteht, warum die arabischsprachigen Christen des Nahen Ostens, die den Islam aus jahrhundertelangem Zusammenleben kennen, in arabischer Sprache fuer den Gott der Bibel keine andere Gottesbezeichnung als die Muslime verwenden. Sie tun dies im vollen Wissen um die Unterschiede im Gottesbild, die durch das christliche Bekenntnis zu Gott als dem dreieinigen und zu Jesus Christus als dem Gekreuzigten und Auferstandenen, als wahrem Menschen und wahrem Gott, markiert sind. Neuere christlich-islamische Dokumente schliessen sich dem an und fordern, die Behauptung, Christen und Muslime beteten zu verschiedenen Goettern, kuenftig zu unterlassen (zum Beispiel 1969 in Cartigny, der ersten vom Oekumenischen Rat der Kirchen vorbereiteten Konferenz von Christen und Muslimen).
Christen und Muslime beten zu einem Gott, den sie freilich verschieden glauben und bekennen. Dementsprechend sollte man darauf verzichten, eine moeglichst grosse Schnittmenge gemeinsamer Ueberzeugungen von Muslimen und Christen zu suchen und dabei Unterschiede beiseite zu schieben. Wer als Christ ernst nimmt, dass Gott Menschen in der Verschiedenheit ihrer Glaubensueberzeugungen fuehrt, ist auf dieses problematische Vorgehen nicht angewiesen.
Das Gebet von Christen und Muslimen erfordert Ehrlichkeit voreinander. Im Beten stehen sie vor dem heiligen Gott. Darum sind sie im Gebet unabdingbar zur Ehrlichkeit vor sich selbst, vor der Gemeinschaft, die sie in ihrem Glauben bestimmt, und vor Gott gerufen.
Fuer die Frage gemeinsamen Betens macht nun vor allem der theologische Zusammenhang von Glaube und Rechtfertigung deutlich, dass der betende Mensch einerseits in seiner Beduerftigkeit vor Gott und andererseits mit hoffender Erwartung Gott um Erhoerung und Errettung bittet. Gerade das Gebet des so glaubenden und hoffenden Menschen ist deshalb der "Ort" der Begegnung von Gott und Mensch sowie der Erfahrung des Menschen von sich selbst wie auch mit seinen Mitmenschen. Weil dem so ist, eignet sich das Gebet vor Gott zu Gott hin keineswegs als "Instrument" der interreligioesen Abgrenzung bzw. Verwerfung, sondern es wird Menschen immer wieder neu oeffnen fuer Gottes Wort und seine Rechtleitung und Zurechtweisung.
Insofern ist die Frage des gemeinsamen Betens eine zentrale Frage des interreligioesen Dialogs. Denn durch seine Gebetshaltung, ja mehr noch durch seine in Dank, Lob, Klage und Fuerbitte zum Ausdruck kommende Zuwendung zu Gott wie auch zu seinen Mitmenschen erfaehrt sich der betende Mensch als eine "dialogische Existenz". Aus unterschiedlichen Anlaessen kann sich deshalb aus dem Zusammenleben von Christen und Muslimen die Notwendigkeit und Moeglichkeit gemeinsamen Betens ergeben. Steht zu Beginn oft das Beten der einen unter dem Dabeisein der anderen, so koennen Christen und Muslime im Laufe der Zeit und gerade als Folge ihrer Begegnung auch die Moeglichkeit gegenseitiger Fuerbitte entdecken. So kann im Respekt voreinander die Praxis gemeinsamen Betens erwachsen.
Sie tun es als Glieder der Gemeinde, die ihnen den Glauben vermittelt hat, auch wenn das vielleicht nur sehr unvollkommen geschah. Sie tun es als Glieder am Leib Christi, zu dem sie durch die Taufe gehoeren. Sie tun es als Menschen, die zur weltweiten Gemeinschaft der Kirche aller Denominationen und Konfessionen hinzugehoeren. Sie feiern Gottesdienst im Namen des dreieinigen Gottes, auch wenn das nicht jedesmal voll ausgesprochen wird. Die Erfahrung, dass Gott sie in seiner Guete durch dieses Leben fuehrt, sie als Erloeser in Christus Jesus ueber all ihr Versagen hinweg sich mit ihnen verbindet und durch den Heiligen Geist zu Vertrauen und Nachfolge ruft, ist der Grund allen Betens und gottesdienstlichen Feierns. Christen tun dies in offener Bescheidenheit. Denn sie wissen in aller Glaubensgewissheit, dass all ihr Verstehen und Bekennen vor Gott nur Stueckwerk ist (1. Kor. 13,9). Darum wollen und koennen sie die in ihren Gemeinschaften je besonderen Gottesdienstformen nicht verabsolutieren, sondern oeffnen sich im Miteinander mit anderen auch ueber ihre Grenzen hinaus.
Sie beginnen kein Gebet ohne die Worte "Bismillahi r-Rahmani r-Rahim - im Namen Gottes, des Barmherzigen, des Erbarmers". Fuer sie ist dies die Grund- und Legitimationsformel ihres Betens und Handelns bis weit in den Alltag hinein. Denn im Erbarmen hat Gott den Menschen geschaffen und jeder und jedem einzelnen das Leben und den eigenen Lebensbereich "zur Bewaehrung und auf Zeit" gegeben, dass sie ihr Leben nach seinem Willen gestalten. Als der Barmherzige hat er ihnen im "Ehrwuerdigen Koran" dazu seine Lebensweisung erteilt, wie er sie fuer alle Zeiten durch Mohammed offenbarte, damit sie das ewige Ziel erreichen koennen.
Dass in diesem Grundverstaendnis fuer die Heilsbedeutung Jesu kein Raum ist, obwohl der Islam anders als das Judentum Jesus als Propheten und Gesandten Gottes, ja als besonderen Knecht Gottes hoch verehrt, sollten sich die Christen immer wieder bewusst machen. Aber fuer Muslime fuehrt die Kette der Propheten und Gesandten ueber Jesus hinaus zu dem Propheten und Gesandten Mohammed als ihrem Siegel und die Erfuellung aller Prophetenschaft. Es gehoert darum zu dem feststehenden rituellen Gebet, an dem keine liturgischen Aenderungen vollzogen werden koennen, dass das Glaubensbekenntnis gesprochen wird: "Ich bezeuge, dass es keinen Gott gibt ausser Gott, und ich bezeuge, dass Mohammed der Gesandte Gottes ist."
Ueber das fuenfmal taeglich zu vollziehende, rituelle Gebet, as-Salat, hinaus kennt islamisches Beten auch das freie Gebet, Du'a'. In ihm bringt der einzelne auch sein privates Danken, Bitten und Flehen vor Gott. Fuer diesen Bereich des individuellen Betens gibt es reiche Schatzkammern vorformulierter Gebete, auf die man zurueckgreifen kann. Man kann aber auch aus der einzelnen Situation heraus voellig neue Gebete sprechen. Das gilt fuer Stossgebete, aber auch fuer eigenes, meditatives Beten oder Bitten im Anschluss an die Pflichtteile des rituellen Gebetes, zum Teil auch waehrend derselben. In diesem Bereich hat es schon immer ein religioeses Hinueber und Herueber gegeben. In vielen Laendern geschieht es dann auch, dass Muslime Christen bitten, Heilung fuer ihre Kranken zu erflehen. Erste Sammlungen freier islamischer Gebete stehen auch in Deutsch zur Verfuegung, zum Beispiel Annemarie Schimmel "Dein Wille geschehe" (Fn5) und "Adel Theodor Khoury "Gebete des Islam" (Fn6).
Fuer Muslime zaehlen auch die christlichen Tischgebete zu diesen Du'a'-Gebeten. Sie nehmen an ihnen keinen Anstoss, sondern freuen sich, in ihnen christlicher Spiritualitaet zu begegnen, wenn die Tischgebete an Gott gerichtet sind. Bei ihnen selbst wird eine Mahlzeit oft mit der Basmala eroeffnet und noch viel oefter mit der al-Fatiha, der ersten Sure des Korans, geschlossen. Es ist das dem heiligen Buch vorangestellte Standardgebet des Islam schlechthin. Sie halten es auch fuer ganz normal, wenn Christen ihr Gebet zu Gott mit Wendungen beenden wie "in Jesu Namen" oder "Gott, wir bitten dich darum, weil Jesus uns lehrte, mit allem zu Dir zu kommen". Auch im Islam ist Jesus durch den Koran als "Lehrer des Betens" bekannt. Nur wo sich ein Gebet direkt an Jesus wendet, koennen sie nicht folgen. Da werden bei ihnen die alten Befuerchtungen wach, dass die Christen von dem Monotheismus in eine halbheidnische, heidnische Drei-Goetter-Religion zurueckgefallen sind, in der sie andere neben den Einen stellen.
An diesem Punkt bricht damit wieder die Gefahr der falsch verstandenen Gottessohnschaft und Trinitaet auf. Fuer Christen aber sollte gelten, dass Beten in Anwesenheit von Muslimen nicht der Ort fuer dogmatische Demonstration sein kann. Das christliche Gebet ist auf Gott gerichtet und nicht gegen den Glauben anders Glaubender. Hier ist Lernen und taktvolles Handeln noetig. Auch im Hintreten vor Gott sind Christen zu gewinnender Liebe gerufen, die nicht verletzt.
Jeder Gottesdienst ist auch "gebetetes Dogma" und tief von dem Verstaendnis Gottes bestimmt. Christen und Muslime stehen zwar vor dem selben, dem einen Gott, zusammen mit den Juden - es gibt nur ihn - aber ihr Gottesverstaendnis ist von ihren Gotteserfahrungen her so verschieden, dass ein von allen in allem mitgetragener Gottesdienst nicht moeglich ist um der Ehrlichkeit willen voreinander und vor Gott. Christen und Muslime koennen aber sehr wohl bei den Gottesdiensten der jeweils anderen Religion stille Gaeste sein und mit Respekt auf den fremden Gottesdienst hoeren. Schon das ist ein Schritt des Lernens.
Bei besonderen Anlaessen ist es moeglich und kann sogar geboten sein, dass Christen und Muslime, auch christliche und islamische Gemeinden als ganze, jeder in seiner Weise im Dabei-Sein der anderen in Aufrichtigkeit der Herzen zu Gott beten und flehen. Dabei wird jeder in Ehrfurcht und Achtung auch dem Gebet des anderen folgen. Er oder sie wird darin Aehnliches entdecken und sich darueber freuen, aber auch Fremdes wahrnehmen und versuchen, dieses zu verstehen.
1. Das kann fuer alle eine Bereicherung sein. Christen und Muslime erfahren, dass ihr Leben auf den gleichen Gott ausgerichtet ist trotz ihrer unterschiedlichen Gotteserfahrungen. Sie alle entdecken darin, dass sie als Traeger des Friedens, den sie von Gott empfangen, nicht nur zu gegenseitiger Achtung, sondern zum Frieden, Schalom oder Salam, miteinander und in der Welt verpflichtet sind. Es gibt eine ganze Reihe von Lehr-Erzaehlungen Mohammeds, die dies bestaetigen, sowie den Text und die Implikationen von Koranstellen wie Sure 3,64; 16,125; 5,46-48, und die Gihad-Stelle 22,37-41.
2. Unterschiede sind ernst zu nehmen. Synkretismus wollen weder Muslime noch Christen. Die Identitaet der einzelnen Gemeinschaft muss gewahrt bleiben. Aber das schliesst Verstehenshilfen fuer die Nichtchristen nicht aus. In der Koptischen Kirche Aegyptens, die sich ihrer Nachbarschaft mit dem Islam bewusst ist, fuegt man der Legitimationsformel "Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes" die Worte "des einen Gottes" hinzu, um so dem Missverstaendnis eines Tritheismus entgegenzutreten.
3. Es ist hilfreich, wenn Texte vorher abgesprochen und dem jeweils anderen verfuegbar gemacht werden, auch wenn das Uebersetzungen notwendig macht. So koennen ungewollte Verletzungen vermieden werden, und der Weg zueinander oeffnet sich leichter.
Wo Menschen im Gebet vor Gott treten, sollen sie es in Demut tun, in Bescheidenheit und in der Hoffnung, dass Gott sie hoert, ihnen hilft und aus seiner Vergebung Kraft fuer den Lebensweg gibt. In diesem Verstaendnis des Gebets sind Christen und Muslime einander sehr nahe. Muslime bezeugen dies im rituellen Gebet durch den Akt der Niederwerfung, den sugud. Wenn sie mit der Stirn den Boden beruehren, sprechen sie: "Gepriesen bist du, mein hoechster Herr!", wenn sie sich bis zu dem tiefsten Punkt in der Selbsterniedrigung geneigt haben. Das Kurzbekenntnis "Allahu akbar - Gott ist groesser" durchzieht ihr ganzes Gebet mit dem offenen Komparativ: groesser... als alles, was aufgelistet werden koennte, auch groesser als alles Verstehen der Menschen und alle Unterschiede und Unvollkommenheiten ihres Glaubens. Dieses Sich-Hingeben an den Einen, Islam, gibt Salam-Frieden.
Beten darf nicht zu einem Instrument religioeser Abgrenzung oder religioeser Verwerfung missbraucht werden. Es oeffnet Menschen fuer Gottes Wort und Weisung, fuer seine Wegleitung im Wandel der Zeiten. Das gilt auch fuer die heutige Zeit, in der Menschen verschiedenster Kulturen und Glaubensweisen lernen muessen, sich miteinander fuer Frieden, fuer mehr Menschenwuerde, Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schoepfung einzusetzen.
Fassung vom 23. September 1997, redigierte aktualisierte Fassung ist in Kuerze verfuegbar.
Fn1 herausgegeben von Stuart Brown, Genf 1989.
Fn2 Religionen, Religiositaet und christlicher Glaube", herausgegeben im Auftrag der Vereinigten Evangelische-Lutherischen Kirche Deutschland (VELKD) und der Arnoldshainer Konferenz, Guetersloh 1991
Fn3 am angegebenen Orte 128f
Fn4 am angegebenen Orte 129
Fn5 Die schoensten islamischen Gebete, Bonndorf 1992.
Fn6 Mainz 1981. 14
Quelle: kopiert aus einer INTERNET-WebSite der Evangelischen Kirche im Rheinland
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