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Eine angemessene Antwort
In unserer letzten Ausgabe setzten wir uns eingehend mit dem Kopftuchskandal um Schwester Fereshta Ludin unter dem Gesichtspunkt der im Grundgesetz niedergelegten Individualrechte auseinander. Heute soll dieses Thema einmal aus theologisch/historischer Sicht beleuchtet werden, indem wir die diesbezueglichen aelteren juedischen und christlichen Positionen dem islamischen Standpunkt gegenueberstellen. Dabei liegt uns fern, Judentum oder Christentum zu diffamieren, aber aus der Sichtweise des 20. Jahrhunderts erscheint die Lage der Frau in der juedisch-christlichen Tradition wahrhaft furchterweckend. Andererseits sind fairerweise die historischen Umstaende zu beruecksichtigen, unter denen sich solche Traditionen entwickelten.
In der heutigen Debatte entsteht sehr leicht der Eindruck, der Islam habe das Kopftuch erfunden: Nichts koennte falscher sein. In seinem Buch THE JEWISH WOMAN IN RABBINIC LITERATURE - A PSYCHO-SOCIAL PERSPECTIVE (Hoboken, N.J., Ktav Publishing House, 1986, S. 239) schreibt der Rabbiner Dr. Menachem M.Brayer (Professor fuer biblische Literatur an der Yeshiva University), dass es bei juedischen Frauen Sitte war den Kopf zu bedecken, wenn sie das Haus verliessen, ja manchmal sogar das ganze Gesicht, wobei nur ein Auge frei blieb. Im gleichen Werk findet sich auf den Seiten 316/317 der Hinweis, dass das rabbinische Gesetz das Aussprechen von Segenswuenschen und Gebeten in Gegenwart von verheirateten Frauen mit entbloesstem Haupt verboten sei, da das unbedeckte weibliche Haar als Nacktheit betrachtet wird. Waehrend einer bestimmten Periode in der juedischen Geschichte galt ein unbedecktes weibliches Haupt als Anschlag auf die Moral und wurde mit einer Geldbusse belegt.
Der Schleier beziehungsweise das Kopftuch wurde nicht immer als Zeichen von Zuechtigkeit gewertet. Manchmal war der Schleier ein Symbol der Auszeichnung, der Wuerde und Ueberlegenheit von Frauen der gehobenen Schicht. In der aelteren juedischen Gesellschaft war es zum Beispiel Prostituierten nicht erlaubt ihr Haar zu bedecken. Auch bedeckten juedische Frauen bis ins 19.Jahrhundert in Europa ihr Haupt. Gesellschaftliche Zwaenge ihrer Umgebung brachten sie dazu, keine Kopfbedeckung zu tragen und manche griffen deswegen zur Peruecke (vgl. Susan W. Schneider: Jewish and Female, New York: Simon & Schuster, 1985, S. 237).
Die christliche Tradition wird in der Tracht von Nonnen sichtbar, die schon immer ihre Haare bedeckten.
In: DIE BIBEL Altes und Neues Testament - Einheitsuebersetzung, Copyright 1980 Kath. Bibelanstalt GmbH, Stuttgart, Herder, Freiburg, Basel, Bern, ISBN 3-45-18988-7 lesen wir auf Seite 1289 folgende Fussnote: Es galt damals unter Juden wie Judenchristen als unanstaendig, wenn eine Frau ihr Haar offen trug. Deswegen war es Vorschrift fuer sie, ein Kopftuch zu tragen, wenn sie ausging. Durch die judenchristlichen Missionare der Fruehzeit fand dieser Brauch auch Eingang in die heidenchristlichen Gemeinden, wenigstens fuer den Gottesdienst. Paulus bestand auf dieser Verhuellung um so mehr, als er der Frau hier das geisterfuellte laute Beten und prophetische Reden gestattete. So wurde das Kopftuch auch ein Zeichen ihrer Vollmacht, vor der Gemeinde charismatisch aufzutreten. Zu diesem Thema lesen wir in den Paulinischen Briefen:
I Korinther 11,3-16 (S. 1289):13 Urteilt selber! Gehoert es sich, dass eine Frau unverhuellt zu Gott betet? 14 Lehrt euch nicht schon die Natur, dass es fuer den Mann eine Schande, 15 fuer die Frau aber eine Ehre ist, lange Haare zu tragen? Denn der Frau ist das Haar als Huelle gegeben. 16 Wenn aber einer meint, er muesse darueber streiten: Wir und auch die Gemeinde Gottes kennen einen solchen Brauch nicht.
Dazu weiter in I Thimotheus 2,9-15 (S. 1340):
9 Auch sollen die Frauen sich anstaendig, bescheiden und
zurueckhaltend kleiden; nicht Haartracht, Gold, Perlen oder
kostbare Kleider seien ihr Schmuck, 10 sondern gute Werke; so
gehoert es sich fuer Frauen, die gottesfuerchtig sein wollen. 11
Eine Frau soll sich still und in aller Unterordnung belehren
lassen. 12 Dass eine Frau lehrt, erlaube ich nicht, auch nicht,
dass sie ueber ihren Mann herrscht; sie soll sich still
verhalten. 13 Denn zuerst wurde Adam erschaffen, danach Eva. 14
Und nicht Adam wurde verfuehrt, sondern die Frau liess sich
verfuehren und uebertrat das Gebot. 15 Sie wird aber dadurch
gerettet werden, dass sie Kinder zur Welt bringt, wenn sie in
Glaube, Liebe und Heiligkeit ein besonnenes Leben fuehrt.
Paulus leitet seine Einstellung zur Bedeckung der Frau von der Annahme ab, der Schleier beziehungsweise das Kopftuch symbolisiere die Autoritaet des Mannes, der das Ebenbild Gottes ist, gegenueber der Frau, die aus dem Mann und fuer den Mann geschaffen wurde.
Der islamische Ansatz ist voellig anders. Die Frau wird nicht fuer den Suendenfall verantwortlich gemacht und weder gilt Schwangerschaft und Geburt als Strafe fuer das Essen vom Baum. Maenner und Frauen haben die gleichen Pflichten und tragen die gleiche Verantwortung vor GOTT.
Die Bedeckung hat aus islamischer Sicht nur eine
Schutzfunktion als Symbol der Zuechtigkeit entsprechend Koran
33:59:
O Prophet, sage deinen Frauen und Toechtern und den glaeubigen
Frauen, sie sollen ein Uebergewand ueber ihren Koerper werfen,
wenn sie ausgehen, damit sie erkannt und nicht belaestigt werden
...
Und weiter in Koran 24:30,31:
Sage den glaeubigen Maennern, sie sollen ihre Blicke senken
und ihre Zuechtigkeit bewahren ...
Und sage den glaeubigen Frauen, sie sollen ihre Blicke senken und
ihre Zuechtigkeit bewahren; dass sie nicht ihre Schoenheit und
ihren Schmuck zur Schau stellen ausser, was gewoehnlich davon
sichtbar ist; dass sie ihre Tuecher ueber ihren Busen ziehen
...
Zuechtigkeit im Verhalten und in der Kleidung ist fuer den Muslim und die Muslima in erster Linie Schutz. Wenn Nichtmuslime uns in dieser Hinsicht Vorschriften machen wollen, dann sollten sie sich vorher vergewissern, ob sie nicht selbst in einem Glashaus sitzen.
Abdullah Borek
Quelle: Deutsche Muslim-Liga, Rundbrief 05/1998.
Ebenfalls zu diesem Thema:
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